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politische Dichtung
politische Dichtung,
 
politische Literatur, unscharfer Sammelbegriff für literarische Werke, die politische Ideen, Themen oder Ereignisse behandeln, um so auf Meinungsbildung und Vorgänge in Staat und Gesellschaft einzuwirken. Der Begriff ist Ausdruck einer Literaturauffassung, die Literatur in erster Linie unter dem Aspekt ihrer gesellschaftskritischen (Gesellschaftskritik) oder sozialen Wirkung betrachtet, unabhängig von der Intention des Autors. Im engeren Sinn bezeichnet politische Dichtung Werke, die unmittelbar im Dienst der Politik stehen, oft als Gebrauchsliteratur (charakteristisch z. B. für die Arbeiterliteratur, die Blut-und-Boden-Dichtung, die Schriften des Jungen Deutschland, die Werke des sozialistischen Realismus), wobei die Skala von Bejahung und Verherrlichung der bestehenden Verhältnisse bis zu scharfer Kritik, die auf Veränderung zielt, reicht.
 
Politische Dichtung kann sich aller literarischen Gattungen bedienen, bevorzugt jedoch wegen der zum Teil ausgeprägten Orientierung auf Pointen und Affekte v. a. die Kleinformen der Lyrik (Epigramm, Lied, Chanson, Song), Epik (Anekdote, Fabel, Kurzgeschichte) und des Dramas (Einakter, Sketch, Hörspiel, Lehrstück), daneben kurze Prosaformen wie Flugblatt, Traktat, Pamphlet, Dialog, Reportage usw. Charakteristisch ist hierbei oft die Bindung an bestimmte Aufführungsformen wie Arbeitertheater, Straßentheater, Kabarett, Kundgebungen und Festivals.
 
Häufig benutzte Verfahren der politischen Dichtung sind Satire, Parodie, Travestie und Kontrafakturen bekannter Texte. Solche Verkehrungen gültiger, oft kanonisierter Muster, ferner Zeitbezug und politische Ausrichtung machen die Wertung der politischen Dichtung problematisch: Gemessen am Ideal des autonomen, zweckfreien Kunstwerks gelten Tendenz und Funktionalität als Mängel; die unvermeidliche Parteilichkeit der politischen Dichtung erschwert ebenfalls eine distanzierte Bewertung. Andererseits zeugen Reaktionen auf politische Dichtung und ihre Verfasser wie Verfolgung, Verbot, Zensur, Prozesse und Skandale bis in die Gegenwart von ihrer über das rein Literarische hinausweisenden Bedeutung und Wirkkraft.
 
Literatur:
 
W. Jens: Lit. u. Politik (1963);
 P. Stein: Polit. Bewußtsein u. künstler. Gestaltungswille in der polit. Lyrik, 1780-1848 (1971);
 U. Jaeggi: Lit. u. Politik (1972);
 Ulrich Müller: Unters. zur polit. Lyrik des dt. MA. (1974);
 
Gesch. der polit. Lyrik in Dtl., hg. v. W. Hinderer (1978);
 F. Rudorf: Poetolog. Lyrik u. p. D. (1988).

Universal-Lexikon. 2012.