Pasternạk,
1) Boris Leonidowitsch, russischer Schriftsteller, * Moskau 10. 2. 1890, ✝ Peredelkino (bei Moskau) 30. 5. 1960, Sohn von 2); wuchs in bürgerlich-liberalen Kreisen auf, studierte, nach anfänglichem Interesse für Musik (Schüler von A. N. Skrjabin), Philosophie in Moskau und Marburg (1912) und wandte sich dann ganz der Dichtung zu. Er war kurze Zeit Mitglied der Dichtergruppe LEF und stand W. W. Majakowskij nahe. Im Unterschied zu den traditionsfeindlichen Futuristen griff er jedoch auf Anregungen der Symbolisten (besonders A. A. Blok), auf R. M. Rilke und die russische Romantik (besonders F. I. Tjuttschew) zurück. Pasternak verband als einer der führenden Dichter der russischen Moderne in seiner Lyrik und frühen Erzählprosa mithilfe komplizierter, v. a. metonymischer Verfahren scharf beobachtete Gegenständlichkeit mit reich nuanciertem persönlichem Empfinden und schuf durch völlige Verschmelzung beider Bereiche eine eigene poetische Realität. Obwohl v. a. als Lyriker bedeutend, fand er erst durch den Roman »Doktor Živago« (italienisch »Il dottor Zivago«, 1957; russisch Ann Arbor, Michigan, und Paris, 1959; Abdruck in der Zeitschrift »Nowyj Mir«, 1988; deutsch »Doktor Schiwago«, 1958; 1966 verfilmt), der zwei Hauptthemen Pasternaks, Liebe und künstlerische Existenz, behandelt, weltweite Beachtung. Der Roman, der von der humanitären, toleranten und unpolitischen Grundhaltung Pasternaks zeugt, durfte wegen seiner nicht systemkonformen Auffassung der Revolution und seiner religiösen Aussage in der UdSSR nicht erscheinen. Den ihm 1958 verliehenen Nobelpreis nahm Pasternak zunächst an, wies ihn dann jedoch unter politischem Druck zurück. Er wurde aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen und war bis zu seinem Tod in der UdSSR offiziell verfemt. Pasternak war auch ein hervorragender Übersetzer, u. a. von Werken Shakespeares, Goethes (»Faust«), H. von Kleists und Rilkes.
Poeme: Devjat'sot pjatyj god (1926); Lejtenant Šmidt (1926-27; in Fortsetzungen).
Erzählungen: Pis'ma iz Tuly (1918; deutsch Briefe aus Tula); Detstvo Ljuvers (1919; deutsch Lüvers Kindheit); Istorija odnoj kontroktavy (herausgegeben 1974; deutsch Die Geschichte einer Kontra-Oktave).
Dramenfragment: Slepaja krasavica (herausgegeben 1969; deutsch Die blinde Schönheit).
Versroman: Spektorskij (1931, unvollendet).
Autobiographisches: Ochrannaja gramota (1929-31, in Fortsetzungen; deutsch Geleitbrief. Entwurf zu einem Selbstbildnis); Avtobiografičeskij očerk (1959; deutsch Über mich selbst).
Ausgaben: Sočinenija, 3 Bände (1961); Izbrannoe, 2 Bände (1985); Stichotvorenija i poėmy (Neuausgabe 1988); Sobranie Sočinenij, 5 Bände (1989-92); Lettres à mes amies françaises 1956-1960, herausgegeben von J. de Proyart (1994).
Initialen der Leidenschaft, herausgegeben von E. Mirowa-Florin (1969; Gedichte, russisch und deutsch); Briefwechsel. Rainer Maria Rilke; Marina Zwetajewa; B. Pasternak, herausgegeben von J. Pasternak u. a. (1983); B. Pasternak und Olga Freudenberg. Briefwechsel 1910-1954 (1986); Gesammelte Werke in Einzelbänden, herausgegeben von F. Mierau, auf 4 Bände berechnet (1991 folgende); Luftwege. Ausgewählte Prosa, herausgegeben von K. Kasper (31991).
A. Livingstone: P. on art and creativity (Cambridge 1985);
Erinnerungen an B. P., hg. v. B. Thun (a. d. Russ., 1994);
2) Leonid Ossipowitsch, russischer Maler und Grafiker, * Odessa 4. 4. 1862, ✝ Oxford 16. 7. 1945; Vater von 1); war ab 1893 Professor an der Moskauer Kunstschule; schuf u. a. Porträts bedeutender Zeitgenossen und Illustrationen (besonders zu Werken von L. N. Tolstoj). Pasternak emigrierte 1921 zunächst einige Jahre nach Berlin, dann nach England.
Universal-Lexikon. 2012.