La Rochefoucauld
[larɔʃfu'ko], Larochefoucauld, altes französisches Adelsgeschlecht, erstmals mit Foucauld, Sire de La Roche, nachgewiesen, der um 1020 Burg und Ort La Rochefoucauld (im heutigen Département Charente) gründete. François I. de La R. (✝ 1517) wurde 1515 von Franz I. zum Grafen erhoben. Sein protestantischer Enkel François III. de La R. wurde 1572 ein Opfer der Bartholomäusnacht. François V. de La R. (* 1588, ✝ 1650) wurde 1622 Herzog und Pair. - Bedeutende Vertreter:
1) François VI., Herzog von La R., Prince de Marcillac [- marsi'jak], französischer Schriftsteller, * Paris 15. 12. 1613, ✝ ebenda 17. 3. 1680; war Offizier, nahm an den Verschwörungen gegen Richelieu und als militärischer Führer an der Fronde teil, geriet dadurch in Opposition zum absolutistischen Regime. Nach dem Zusammenbruch der Fronde lebte er zurückgezogen in der Provinz und verzichtete auch nach der Erlaubnis zur Rückkehr nach Paris auf jede politische Tätigkeit. Er war befreundet u. a. mit Madeleine de Scudéry, besonders aber mit Marie-Madeleine de La Fayette.
Seine »Mémoires« (1662) sind neben denen des Kardinals J. F. P. de Retz das bedeutendste literarische Denkmal der Fronde. Mit seinem Hauptwerk, den »Réflexions ou sentences et maximes morales« (1665, erweiterte und veränderte Fassungen 1666, 1671, 1675 und 1678; deutsch u. a. »Betrachtungen oder moralische Sentenzen und Maximen«), schuf er nach antiken und spanischen Anregungen (Seneca dem Jüngeren, B. Gracián y Morales) die Maxime als literarische Kunstform in Frankreich. Auf der Grundlage eines pessimistischen Weltbildes spiegeln die Maximen den Leitgedanken von der Selbstsucht (»amour-propre«) als Triebfeder allen menschlichen Handelns, wonach auch die Tugenden (bewusst oder unbewusst) nur maskierte Erscheinungsformen des Egoismus sind. Durch die Darstellung dieses Grundgedankens mittels scharfer psychologischer Analyse und in sprachlich äußerst prägnanter Form hatte das Werk - auch außerhalb Frankreichs - nachhaltigen Einfluss.
Ausgaben: Œuvres, herausgegeben von D. L. Gilbert u. a., 5 Bände (1868-83); Œuvres complètes, herausgegeben von L. Martin-Chauffier u. a. (Neuausgabe 1980).
Maximen und Reflexionen, übersetzt von K. Nussbächer (1969); Die französischen Moralisten, herausgegeben von F. Schalk, Band 1 (Neuausgabe 1973).
G. Hess: Zur Entstehung der »Maximen« La R.s (1957);
M. Kruse: Die Maxime in der frz. Lit. Studien zum Werk La R.s u. seiner Nachfolger (1960);
L. Ansmann: Die Maximen von La R. (1972);
Images de La R. Actes du tricentenaire (1680-1980), hg. v. J. Lafond u. a. (Paris 1984);
C. Rosso: Procès à La R. et à la maxime. Avec une bibliographie critique (Pisa 1986).
2) François Alexandre Frédéric, Herzog von La R.-Liancourt [-ljã'kuːr], französischer Philanthrop, * La Roche-Guyon (Département Val-d'Oise) 11. 1. 1747, ✝ Paris 27. 3. 1827; gründete auf seinem Landgut Liancourt (Département Oise) eine Musterschule für arme Soldatenkinder. Nach der Absetzung des Königs am 10. 8. 1792 floh er nach Großbritannien. Unter dem Eindruck seines Aufenthaltes in den USA (1795-98) trat er für eine Gefängnisreform und Abschaffung der Todesstrafe ein. Unter Ludwig XVIII. wurde er Pair und war wieder sozial tätig (u. a. Gründer der ersten Sparkasse in Frankreich).
J. D. de La Rochefoucauld u. a.: Le Duc de La R.-Liancourt: 1747-1827 (Paris 1980).
Universal-Lexikon. 2012.