Harappakultur
Vor allem im Industal (im heutigen Pakistan), aber auch in angrenzenden Gebieten wurde seit den Zwanziger-jahren des 20. Jahrhunderts eine Reihe bedeutender Städte mit einer einheitlichen Kultur ausgegraben, die um die Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. bereits einen hohen Entwicklungsstand aufwies. Die wichtigsten Fundorte neben Harappa, das dieser Induskultur den Sammelnamen verlieh, sind Mohendscho Daro, Kot Diji, Amri, Chanhu Daro sowie außerhalb der Indusebene Sutkagen Dor in Belutschistan, ein Außenhandelsposten am Arabischen Meer und Lothal auf der Halbinsel Kathiawar in Nordwestindien. Diese Städte besaßen ein rechtwinkliges Straßennetz (breite »Boulevards«, geschnitten von engen Gassen), durch das Häuserblöcke gebildet wurden. Man fand Reste kleiner Privathäuser und mehrstöckiger Wohnhäuser mit Innenhof. In Mohendscho Daro sind noch die unteren Mauern einer öffentlichen Badeanlage (12 x 7 x 2,5 m groß) zu sehen.
Gebaut wurde meist mit gebrannten Lehmziegeln. Charakteristisch ist auch das hervorragende Kanalisationssystem. Die Unterstädte waren nicht immer befestigt, wohl aber die über Bodenhöhe aufragenden »Zitadellen«, die Herrschaftssitze waren. Man trieb Handel mit dem Vorderen Orient; die Wirtschaft basierte hauptsächlich auf der Verarbeitung von Getreide (große Getreidespeicher wurden entdeckt) und Baumwolle sowie auf Viehzucht (Büffel). Das einheitliche Maß- und Gewichtssystem lässt eine geordnete Verwaltungstätigkeit vermuten.
Die mit etwa 400 Zeichen auf meist quadratischen Siegeln aus Speckstein überlieferte hieroglyphische Schrift konnte noch nicht entziffert werden. Die in dieses Siegel geschnittenen Bilder (Tiere, eine Gottheit mit Hörnern) gehören zusammen mit den Metallarbeiten aus Kupfer und Bronze, unter denen besonders die zierliche Figur einer Tänzerin auffällt, und mit der Keramik (reich verzierte Gefäße, kleine Statuen) zu den eindrucksvollsten Kunstwerken dieser Kultur, die Mitte des 2. Jahrtausends aus ungeklärten Gründen unterging, nachdem vermutlich um 1700 Überschwemmungskatastrophen die Städte heimgesucht hatten. Möglicherweise war die Harappakultur dem Ansturm arischer Ein wanderer nicht mehr gewachsen.
II
Harạppakultur,
nach dem zuerst erforschten Hauptausgrabungsplatz Harappa (Pandschab, Pakistan) benannte Hochkultur (seit etwa 2500 v. Chr.), früher entsprechend ihrer Hauptverbreitung im Industal auch als Induskultur bezeichnet. Die städtischen Zentren dieser sich von Belutschistan bis zum Golf von Cambay (Indien) erstreckenden Kultur (neben Harappa v. a. Mohenjo-Daro, Chanhu-Daro und Kot-Diji im Industal, Kalibangan im Pandschab sowie Lothal auf der Halbinsel Kathiawar, Indien) sind relativ gut erforscht und weisen in ihrer gleichförmigen Anlage (jeweils Zitadelle mit Unterstadt, rechtwinkliges Straßennetz, aufwendige Entwässerungssysteme, gebrannte Lehmziegel als Baumaterial, geräumige Häuser mit Innenhof) auf eine einheitliche Bauplanung hin. Das Vorhandensein großer Getreidespeicher, öffentlicher Bäder (für rituelle Zwecke?), Versammlungsgebäude, die Verwendung einer (noch nicht entzifferten) Hieroglyphenschrift und eines einheitlichen Maß- und Gewichtssystems lassen auf eine zentrale Verwaltung schließen. Paläste und Tempel scheinen zu fehlen. Die Wirtschaft beruhte auf der Verarbeitung von Getreide und Baumwolle. Die Metallgegenstände sind aus Kupfer und vereinzelt aus Bronze. Ein Charakteristikum der Harappakultur sind die in großer Zahl gefundenen kleinen Siegel aus Speckstein mit eingeschnittenen Tierdarstellungen, kleinen kulturellen Szenen und Schriftzeichen. Die Ausführung dieser Siegel wie auch die kleinen Statuetten von Tieren und menschlichen Figuren aus Terrakotta, Stein (»männlicher Torso«, »Priesterbüste«) und Bronze (»Tänzerin«) bezeugen hohes künstlerisches Können. Ursprung und genauer zeitlicher Beginn der Harappakultur sind noch ungeklärt; eine ältere jungsteinzeitliche Vorbesiedlung konnte durch neuere Grabungen nachgewiesen werden. Um 1700 v. Chr. trat (wohl durch Überschwemmungskatastrophen) eine Schwächung der Harappakultur ein; wahrscheinlich war sie bei Beginn der arischen Einwanderung schon untergegangen. (Indien, Geschichte)
M. Jansen: Die Indus-Zivilisation. Wiederentdeckung einer frühen Hochkultur (1986);
Vergessene Städte am Indus, bearb. v. A. Ardeleanu-Jansen, Ausst.-Kat. (1987).
Universal-Lexikon. 2012.