Goldene Horde
Das westliche Teilreich aus dem Gesamterbe Dschingis Khans wurde von den Russen nach einem mongolisch-türkischen Begriff »Goldene Horde« genannt, was ursprünglich nichts anderes bedeutete als »Hof« oder »Palast des Khans«. Hervorgegangen ist das Reich aus dem Erbteil Dschötschis, des bereits 1227 verstorbenen Sohnes Dschingis Khans, das Sibirien westlich des Irtysch und Choresmien mit den Nomadenvölkern der Kiptschak-Türken umfasste. Unter Batu Khan, dem zweiten Sohn Dschingis Khans, wurden das Wolgabulgarenreich um die Stadt Bulgar sowie die altrussischen Fürstentümer mit Ausnahme Nowgorods erobert, sodass sich das Reich nun von Sibirien bis zu den Grenzen Ungarns und Polens, von der Krim und dem Kaukasus bis vor Nowgorod erstreckte.
Lebens- und Herrschaftsmittelpunkt für die mongolische Oberschicht, die sich bald mit den einheimischen Turkvölkern vermischte, war immer noch die relativ dünn besiedelte Steppe, in der es kaum Städte gab, wenn man einmal von den Residenzen der Khane, wie das von Batu zunächst als Zeltstadt gegründete Sarai an der unteren Wolga, absieht. Die unterworfenen russischen Fürstentümer hatten Heerfolge und Tributzahlungen für den Khan zu erbringen; im Übrigen konnten sie weitgehend ihre Eigenständigkeit wahren.
Mit dem Übertritt des Khans Berke (1257-66) zum Islam geriet das Reich unter den Einfluss des islamischen Kulturkreises, der sich außenpolitisch in einer engen Anlehnung an das Mamelukensultanat in Ägypten niederschlug. Dagegen lockerten sich in der Folgezeit die Bindungen an die anderen mongolischen Teilstaaten. Seit 1260 unabhängig vom Großkhan, wurde das Reich immer wieder in militärische und handelspolitische Auseinandersetzungen mit dem benachbarten mongolischen Ilkhanenreich in Persien verwickelt, in die auch Byzanz und die italienischen Seestädte Venedig und Genua hineingezogen wurden. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts lösten innere Machtkämpfe und ungünstige außenpolitische Konstellationen einen zunehmenden Verfallsprozess aus, der im 15. Jahrhundert zur Aufsplitterung in mehrere Einzelkhanate (Krim, Kasan, Astrachan, Sibirien) und 1480 zum Ende der Tatarenherrschaft in Russland führte.
Goldene Horde,
historisches mongolisches Teilreich (»Ulus«) in Osteuropa und Westsibirien. Den Namen Goldene Horde erhielt es von den Russen (russisch Zolotaja orda, nach mongol.-türk. altan, altun »Gold« und horda, orda »Khanshof«). Das Reich der Goldenen Horde umfasste 1223-36 als Ulus Dschötschi (»Teilreich des Dschötschi«, des im Februar 1227 gestorbenen ältesten Sohnes von Dschingis Khan) die Gebiete der Kiptschaktürken in West-Zentralasien und wurde daher auch als Khanat Kiptschak bezeichnet. 1237-40 eroberte Batu Khan, Sohn des Dschötschi, im großen Europafeldzug der Mongolen die altrussischen Fürstentümer Rjasan, Wladimir und Kiew hinzu. Das Reich erstreckte sich damit vom Aralsee bis fast zur Ostsee, vom Kaukasus bis vor Nowgorod; Zentrum war das Gebiet der unteren Wolga mit Saraj als Hauptstadt. Die russischen Fürsten wurden tributpflichtig und mussten persönlich beim Khan den Gnadenbrief (mongolisch »jarlyk«) in Empfang nehmen, der sie zu Großfürsten erhob; die innere Struktur der Fürstentümer ließen die Herrscher der Goldenen Horde unverändert, auf Rebellionen der Fürsten reagierten sie aber mit militärischen Strafexpeditionen.
Seit 1260 vom Großkhan unabhängig, unterhielt das Reich enge Kultur- und Handelsbeziehungen zum Mameluckenstaat in Ägypten. Dagegen gab es Auseinandersetzungen mit Byzanz, Genua, Venedig und den mongolischen Ilchanen. Schon im 13. Jahrhundert kam es zu einer sprachlichen Turkisierung der Mongolen durch das Kiptschakische, unter Khan Özbeg (1313-41) dann zur offiziellen Islamisierung, gleichzeitig zum Verlust politischen Einflusses im östlichen Mittelmeer und zum Handelskrieg mit Genua und Venedig. 1360-80 wurde das Reich durch Bürgerkriege im Innern zerrüttet; 1380 konnte ein vereintes russisches Heer unter Dmitrij Iwanowitsch Donskoj auf dem Schnepfenfeld (russisch Kulikowo pole) gegen den tatarischen Heerführer Mamai (✝ 1380) einen Sieg erringen, aber bereits zwei Jahre später stellte die Goldene Horde durch einen Feldzug gegen Moskau erneut ihre Oberhoheit her. Trotz kurzzeitigen Wiedererstarkens des Reiches unter Herrschern wie Tochtamysch (bis 1395) und Edigü (bis 1419) war der Niedergang der Goldenen Horde nicht mehr aufzuhalten, v. a. durch Verwicklungen in die Auseinandersetzung zwischen Polen-Litauen und Moskau im Westen sowie durch Kriege (1388-91 und 1395) mit dem Türkenreich Timurs im Südosten Im 15. Jahrhundert zerfiel das Reich der Goldenen Horde in verschiedene rivalisierende Khanate: u. a. Kasan (1438), Krim (1443), Astrachan (1459), Sibirien (»Sibir«, zu Beginn des 15. Jahrhunderts), die Große Horde an der unteren Wolga. 1480 gewann Moskau seine Unabhängigkeit (kampfloser Abzug des gegen Moskau entsandten Heeres von Khan Ahmed [✝ 1481]). 1502 zerschlug der Herrscher des Krimkhanats Mengli Girai (1468-1515) die Große Horde; 1505 wurde deren letzter Herrscher getötet. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts verleibte sich Russland die Khanate Kasan (1552), Astrachan (1556) und »Sibir« (1582/98) ein, im 18. Jahrhundert das Krimkhanat (endgütig 1783).
B. Spuler: Die G. H. Die Mongolen in Rußland 1223-1502 (21965);
C. J. Halperin: Russia and the Golden Horde (Bloomington, Ind., 1985);
M. Weiers: Die G. H. oder das Khanat Qyptschaq, in: Die Mongolen, hg. v. M. Weiers: (1986).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Mongolensturm und Goldene Horde: Blutige Morgenröte über Russland
Universal-Lexikon. 2012.