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Boulez
Boulez
 
[bu'lɛːz], Pierre, französischer Komponist und Dirigent, * Montbrison (Département Loire) 26. 3. 1925; studierte zunächst Mathematik, ab 1944 in Paris Komposition bei O. Messiaen, Andrée Vaurabourg-Honegger und R. Leibowitz, war 1946-56 Leiter der Bühnenmusik der »Theatertruppe Madeleine Renaud - J.-L. Barrault«, gründete 1954 die der zeitgenössischen Musik gewidmeten Concerts du Petit Marigny (seit 1955 Concerts du Domaine musical), war 1955-67 Dozent der Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik und lehrte 1960-63 Komposition an der Musikakademie Basel. 1959 begann seine Laufbahn als Dirigent: Gastdirigent des Südwestfunk-Orchesters in Baden-Baden, 1963 Dirigent der französischen Erstaufführung von A. Bergs »Wozzeck« in Paris, seit 1966 der Bayreuther Festspiele, 1967-72 des Cleveland Orchestra, 1971-75 Chefdirigent des BBC Symphony Orchestra, daneben 1971-77 Leiter des New York Philharmonic Orchestra (als Nachfolger von L. Bernstein). 1970 übernahm Boulez Planung und Aufbau des Institut de Recherche et de Coordination Acoustique/Musique (IRCAM) in Paris, das er von 1975-91 leitete, gründete 1976 das Ensemble InterContemporain, erhielt den Lehrstuhl für Musik des Pariser Collège de France und wurde 1979 Präsident des Orchestre de Paris. Boulez war wesentlich beteiligt an der Entstehung der 1995 in Paris eröffneten Cité de la Musique. - Boulez' Kompositionsweise (von A. Webern und O. Messiaen ausgehend) ist bis heute dem konstruktiven, logisch-mathematischen Denken der seriellen Musik, zu deren wichtigsten Repräsentanten er gehört, verpflichtet geblieben. Einen breiten Raum in seinem Schaffen nehmen Probleme der Textvertonung ein, so in seinem ersten Meisterwerk »Le marteau sans maître« und in »Pli selon pli«, in denen er ein streng organisiertes Gleichgewicht von Wort und Ton anstrebt. In späteren Werken arbeitet Boulez analog zur Reihentechnik und unter Verwendung auch aleatorischer Momente vielfach mit so genannten Mikrostrukturen, das heißt rhythmischen Tongruppen und Klangmixturen; daneben sucht er u. a. mithilfe der Liveelektronik auch den Raum als kompositorisches Medium einzubeziehen.
 
Werke: Notations (1945; für Klavier); Sonatine (1946; für Flöte und Klavier); Le visage nuptial (1946; nach Texten von R. Char, für Sopran- und Altsolo, Ondes Martenot, Klavier und Schlagzeug; Neufassung 1952); 3 Sonates pour piano (1946-57); Polyphonie X (1951; für 18 Instrumente); Structures pour deux pianos I und II (1952-61); Le marteau sans maître (1955; auf Texte von R. Char, für Alt und 6 Instrumente; Neufassung 1957); Pli selon pli - Portrait de Mallarmé (1962; für Sopran und Orchester); Figures - Doubles - Prismes (1963, erweitert 1968; für Orchester); Cummings ist der Dichter (1970; für 16 Solostimmen und 24 Instrumente);. .. Explosante - Fixe. .. (1972-74; für Ensemble und Liveelektronik); Rituel in memoriam Maderna (1975; für Orchester in 8 Gruppen); Notations I-IV (1980-84; für Orchester); Répons (1981; für 6 Solisten, Kammerensemble, Computerklänge und Liveelektronik); Dérive I (1984; für Kammerensemble); Notations II (1984; für Orchester); Dérive II (1992).
 
Schriften: Musikdenken heute, 2 Bände (1963-85); Relevés d'apprenti (1966; deutsch Anhaltspunkte); Wille und Zufall, Gespräche mit C. Deliège und Hans Mayer (1977).
 
Literatur:
 
P. Griffiths: B. (London 1978);
 M. Beiche: Serielles Denken in »Rituel« von P. B., in: Archiv für Musikwiss., Jg. 38 (1981);
 D. Jameaux: P. B. (Paris 1984);
 T. Hirsbrunner: P. B. u. sein Werk (1985);
 
P. B. Eine Festschrift zum 60. Geburtstag, hg. v. J. Häusler (teilweise a. d. Engl. u. Frz., Wien 1985).

Universal-Lexikon. 2012.