Rụ̈s|tungs|kon|ver|si|on, die:
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Rüstungskonversion,
die Umstellung militischer genutzter Ressourcen auf zivile Bedürfnisse. Dies betrifft v. a. die Umstellung der Rüstungsproduktion auf zivile Erzeugnisse; darüber hinaus die Umstellung der Rüstungsforschung und -entwicklung; die Überführung der materiellen (z. B. Transport-, Instandsetzungskapazitäten) und nichtmateriellen Leistungen (z. B. Bildung, Nachrichtenwesen) und militärische Infrastruktur auf zivilen Gebrauch; die Verwendung militärischer Liegenschaften (Kasernen, Übungsplätze) für Wohnung, Freizeit, Gewerbeansiedlung und Naturschutz; Veränderung der durch Militär- und Rüstungsstandorte entstandenen regionalen und kommunalen Strukturen (z. B. Neuansiedlung ziviler Industrien); Eingliederung der demobilisierten Militärangehörigen sowie der dazugehörigen Zivilbeschäftigten in zivile Tätigkeiten; die veränderte Nutzung von Militärmaterial (Dual-use-Produkte wie v. a. Lastkraftwagen, Hubschrauber, Trainingsflugzeuge); seltener die direkte Produktkonversion wie z. B. der Umbau von Raketenlafetten und Panzerfahrgestellen zu Kranträgern und Fahrzeugen für Landwirtschaft oder Katastrophenhilfe; fachgerechte Demilitarisierung und Verschrottung von militärischem Gerät sowie von Munition einschließlich der Endlagerung von kontaminierten Bestandteilen; ökologische Sanierung von Truppenübungsplätzen; Verwendung der Militärausgaben v. a. für die Initiierung von Rüstungskonversion.
Rüstungskonversion war in der ökonomisch orientierten Friedens- und Abrüstungsforschung seit den 1960er-Jahren ein Thema, um Gegenkonzepte für die mehr aus industriellen Interessen als aus Sicherheitserwägungen vorangetriebene Rüstungsproduktion und deren Drängen auf die Exportmärkte zu entwickeln. Seitdem jedoch im Zusammenhang mit dem Ende des Ost-West-Konflikts die Rüstungsausgaben auf internationaler Ebene zwischen 1985 und 1998 von 1 210,5 Mrd. US-$ auf 671 Mrd. US-$ sanken und die Zahl der Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie von 17,4 Mio. auf 8,2 Mio. abnahm (allein 1998 gingen 450 000 Arbeitsplätze in diesem Sektor verloren) steht die politische Bedeutung und wirtschaftliche Notwendigkeit der Rüstungskonversion außer Zweifel, auch wenn (v. a. in den USA) ein Teil der Arbeitsplatzverluste auf Produktivitätssteigerungen und Konzentrationsprozesse zurückzuführen ist. Dies gilt besonders für Deutschland, das bis 1990 die weltweit höchste Militärdichte aufwies. Die Zahl der Beschäftigten in der Rüstungsindustrie sank von 280 000 (1989) auf 90 000 (1998). Mit dem Rückgang der militärischen Nachfrage im Inland wurde zunächst (und wird auch weiterhin) versucht, durch verstärkte europäische Kooperation und Unternehmens-Zusammenschlüsse sowie durch Rüstungsexporte die Verluste aufzufangen. Da dies angesichts des nahezu weltweiten Trends zur Verringerung der Militärapparate nur begrenzt erfolgsträchtig war und ist, stellt sich für die einzelnen Unternehmen verstärkt die Frage der Rüstungskonversion. Vor einem endgültigen Rückzug aus der Rüstungsproduktion steht häufig der Versuch eines Unternehmens, die Produktpalette um zivile Güter zu erweitern und in bisher nicht erreichbare Marktsegmente vorzudringen. Dies kann z. B. durch die Entwicklung ziviler Varianten von Rüstungsgütern oder von neuen Produkten auf der Grundlage bislang militärisch angewandter Technologien geschehen.
Infolge von Abrüstungsmaßnahmen fallen riesige Mengen von so genanntem Rüstungsschrott an. Zertrümmerte oder zersägte Metallteile können eingeschmolzen werden. Ein Hauptproblem stellt hingegen die Entsorgung der Munition, besonders der nuklearen Sprengköpfe und des darin enthaltenen Plutoniums, dar. Von den weltweit 1 700 t Plutonium befinden sich ungefähr 75 Prozent in abgebrannten Brennlelementen und ungefähr 250 t in militärischem Gebrauch. Im September 2000 haben die USA und Russland ein Abkommen zur Entsorgung des Plutoniums abgeschlossen. Dieses soll zum Teil zu Mischoxid (MOX) verarbeitet werden, das dann in Kernkraftwerken verbrannt werden müsste, zum Teil durch Immobilisierung in Form des Einbindens in Glasbehälter für militärische Zwecke unbrauchbar gemacht wird. Da Russland allein außerstande ist, seine Plutoniumentsorgung zu bewältigen, wurde im Juli 2000 auf dem G-8-Gipfeltreffen finanzielle Hilfe beschlossen. Technische Hilfe wäre prinzipiell durch die Verlagerung der Hanauer MOX-Brennelementefabrik nach Russland möglich. Dieses Vorhaben der Firma Siemens ist jedoch bei der rot-grünen Bundesregierung umstritten. Rüstungskonversion wurde v. a. in den angelsächsischen und skandinavischen Ländern erforscht; in Deutschland ist sie seit 1994 im Bonn International Center for Conversion (Abkürzung BICC; deutsch Internationales Konversionszentrum Bonn) konzentriert.
U. Albrecht: R.-Forschung (1979);
Für den Frieden produzieren. Alternativen zur Kriegsproduktion in der Bundesrep., hg. v. J. Huffschmid (21982);
Abrüstung u. Konversion. Polit. Voraussetzungen u. wirtschaftl. Folgen in der Bundesrep., hg. v. L. Köllner u. B. J. Huck (1990);
M. Brzoska u. a.: Demilitarization and conversion (Bonn 1995);
Conversion survey. Global disarmament, demilitarization and demobilization (Oxford 1996 ff.).
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Rụ̈s|tungs|kon|ver|si|on, die: ↑Konversion (8).
Universal-Lexikon. 2012.