Prä|kạm|bri|um auch: Prä|kạmb|ri|um 〈n.; -s; unz.; Geol.〉 = Proterozoikum [<lat. prae „vor“ + Kambrium]
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vor dem Kambrium liegender erdgeschichtlicher Zeitraum.
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Präkạmbrium,
der erdgeschichtliche Zeitraum (Ära) vor dem Kambrium seit der Entstehung der Erdkruste (Geologie, Übersicht), der 86 % der gesamten Erdgeschichte umfasst. Unveränderte Reste der vor 4-5 Mrd. Jahren ausgebildeten ersten Erstarrungkruste der Erde sind durch die ständigen exogenen und endogenen Veränderungen nicht zu erwarten. Das älteste datierte Mineral, ein Zirkonkristall aus Westaustralien, ist 4,3 Mrd. Jahre alt, das bisher älteste bekannte Sediment mit biogenem Kohlenstoff (Grönland) etwa 3,8 Mrd. Jahre. Die obere Grenze zum Kambrium ist etwas willkürlich festgelegt, gekennzeichnet durch Schichtlücken, Diskordanzen (assyntische Gebirgsbildung) und fossile Reste. Mangels brauchbarer biologischer Zeitmarken werden die großen tektonisch-magmatischen Zyklen radiometrisch datiert (Altersbestimmung). Die älteste Gebirgsbildung ist die laurentische Tektogenese, die Wende zum Mittelpräkambrium kennzeichnet die kenorische (algomische), abgeschlossen wurde das Präkambrium durch die assyntische (cadomische) Tektogenese. Kristallines Präkambrium (metamorph veränderte Magmen und Sedimente) bildet auf allen Kontinenten das Grundgebirge; in Mitteleuropa sind wenige Reste aus dem Präkambrium in den Mittelgebirgen erhalten. Präkambrische Gesteine sind in den Zentralzonen der Faltengebirge (Massive) wie in den Urkratonen (Kraton) weit verbreitet. Die Kontinentalkerne sind meist von Grünsteingürteln umgeben (Grünstein), bestehen im Übrigen v. a. aus hochmetamorphen Gneisen mit granitischer Zusammensetzung, Resten tieferer kontinentaler Kruste. Die paläogeographische Lage der Kontinente war im Präkambrium vermutlich völlig anders als heute. Fünf große Festlandkerne sollen sich bis zum Ende des Präkambriums herausgebildet haben: Kanadischer Schild, Fennosarmatia, Angaria, ein ostasiatisches Kraton und ein Superkontinent Gondwana. Sie waren von mobilen Randsenken umgeben, den Geosynklinalen, in denen sich besonders die Sedimente anhäuften. Erst im Jungpräkambrium entstand das System der lithosphärischen Platten (Plattentektonik). Von weit reichender Bedeutung war die Entwicklung der Atmosphäre, besonders die von freiem Sauerstoff.
Chemische Verwitterung war daher in den ältesten Zeiten kaum wirksam, sodass unvollkommen aufbereitete, grauwackenartige Ablagerungen, Fanglomerate, Arkosen die Regel sind. Besser gesonderte klastische Gesteine wie Schiefertone und Quarzite erscheinen erst im Mittelpräkambrium. Karbonatgesteine treten ebenfalls erst später auf, Evaporite fehlen im Präkambrium fast ganz, Gips- und Steinsalzmetamorphosen gibt es gelegentlich im Jungpräkambrium. Die einzigen weit verbreiteten chemischen Ausscheidungen sind Hornsteine und Bändereisenerze. Für fehlenden freien Sauerstoff sprechen außerdem Transport von Fe2+-Verbindungen, ferner Pyrit- und Uranitgerölle in den Konglomeraten von Witwatersrand und Kanada. Älteste festländische Rotgesteine treten erstmals vor etwa 1,9 Mrd. Jahren auf und deuten auf größere Anteile freien Sauerstoffs. Sie kennzeichnen mit den weit verbreiteten Kalken aus Stromatolithen das Mittelpräkambrium. Eine Vegetationsdecke fehlte. Das Klima war vermutlich über längere Zeiten kühl-feucht, erst gegen Ende des Präkambriums stärker differenziert: weit verbreitete Kalke in warmen Meeren, ausgedehnte Vereisungen.
Das Präkambrium ist reich an großen Erzlagerstätten, gebunden an granitische oder basische Gesteine oder deren Abtragungsprodukte. In umgewandelten Sedimentgesteinen finden sich die größten Eisenerzlagerstätten der Erde (Oberer See, Labrador, Brasilien, Indien, Südrussland). Die Hälfte der Weltgoldproduktion stammt aus den metamorphen Konglomeraten (fossile Flussseifen) des Witwatersrand (Republik Südafrika). Die großen Kupfererzlagerstätten (Sambia, Shaba) sowie Uranerze sind an die alten Schilde gebunden, ebenso das größte Nickelmagnetkiesvorkommen (Sudbury, Kanada).
Die Entstehung des Lebens ist nicht überliefert. Als älteste Lebensspuren gelten kohlige Reste im 3,8 Mrd. Jahre alten Isuakonglomerat Grönlands, als älteste Fossilien 3,5-3,6 Mrd. Jahre alte kugelige oder fadenförmige organismenähnliche Gebilde aus dem südlichen Afrika (Chemofossil, Onverwacht-Serie), körperliche Fossilien (Eobacterium isolatum) erst in der Fig-Tree-Serie. Erste Blaualgen und Bakterien erscheinen vor etwa 2,8 Mrd. Jahren (erste Photosynthese). Bei vielen sedimentären Erzlagerstätten (v. a. Bändereisenerze) haben vermutlich Bakterien mitgewirkt. Kohlige Substanz in Geröllen der südafrikanischen Witwatersrand-Serie (2,6 Mrd. Jahre) sowie ähnlich alte pyritisierte Mikrostrukturen Nordamerikas sind möglicherweise organischen Ursprungs. Kohlige Flöze gibt es im Bayerischen Wald, in Nordamerika und besonders in Karelien (Schungit), mit dem Fossil Corycium enigmaticum, einer Zusammenballung fadenförmiger Algen von wenigen Zentimetern Durchmesser.
Während alle organischen Reste älter als 2 Mrd. Jahre auf prokaryonte (zellkernlose) Organismen zurückgeführt werden, kennt man aus den jüngeren Ablagerungen (Gunflintserie, Kanada, 1,9 Mrd. Jahre; Kalifornien, 1,2-1,4 Mrd. Jahre; Bitter-Springs-Hornsteine, Australien, 900 Mio. Jahre) die vermutlich ältesten Eukaryonten (mit Zellkern). Reichhaltigere Mikroflora sowie tierische Lebewesen treten erst im jüngsten Präkambrium auf, darunter die ersten Metazoa (Ediacara-Fauna). Im Gegensatz zum Präkambrium steht der plötzlich einsetzende Fossilreichtum im Kambrium.
A. Kröner: Krustenevolution im Archaikum, in: Natur u. Museum, Jg. 111 (1981);
Geological evolution of the earth during the Precambrian, hg. v. L. J. Salop (a. d. Russ., Berlin 1983).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Leben auf der Erde: Von der Uratmosphäre zu den ersten Lebewesen
Evolution: Vielzellige Lebewesen erscheinen
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Universal-Lexikon. 2012.