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Beu|gung 〈f. 20〉
1. das Beugen
2. Zusammenziehung des Beugers
4. \Beugung der Lichtstrahlen 〈Opt.〉 Ablenkung vom gradlinigen Strahlengang; Sy 〈veraltet〉 Diffraktion
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Beu|gung; Syn.: Diffraktion: auf der Wellennatur von Materie oder Strahlung beruhende u. mit ↑ Interferenz verbundene Richtungsänderung der sich ausbreitenden Welle, verursacht durch im Wege stehende Hindernisse oder Dichtedifferenzen im durchquerten Medium, vgl. Brechung u. Streuung. Die B. elektromagnetischer oder korpuskulärer Strahlung (Röntgen-, Elektronen-, Neutronenbeugung) an Kristallgitterbausteinen bildet die Grundlage für die ↑ Kristallstrukturanalyse (Diffraktometrie).
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Beu|gung, die; -, -en:
2. (Rechtsspr.) Rechtsbeugung.
4. (Physik) Ablenkung von der geraden Richtung.
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Beugung,
1) Physik: Diffraktion, allgemein jede Abweichung der Ausbreitung eines Wellenvorgangs oder einer Strahlung von der ursprünglichen Richtung der Wellennormalen beziehungsweise der Strahlrichtung, die von irgendwelchen im Wege stehenden Hindernissen oder auch von Dichteänderungen des durchquerten Mediums verursacht wird und nicht auf Brechung oder Reflexion daran zurückzuführen ist, sondern allein auf der Wellennatur des Vorgangs beziehungsweise der Strahlung beruht und daher stets mit Interferenz verbunden ist. Eine scharfe begriffliche Abgrenzung zur Streuung ist nicht möglich; meist spricht man im Grenzfall der Beugung von Licht an sehr kleinen Teilchen von Streuung des Lichts. Durch Beugung werden auch im Raumbereich hinter Hindernissen Wellen erregt, da die daran vorbeilaufenden Wellen an den Kanten der Hindernisse gebeugt, d. h. abgelenkt werden und in das für direkte Strahlung abgeschirmte Gebiet gelangen; ein Teil der Wellenenergie gelangt also durch Beugung auch in den Schattenbereich. Die Beugung tritt bei jeder Art von Wellen auf. Sie ist sowohl an Wasserwellen, Schallwellen und seismische Wellen als auch an jeder Form von elektromagnetischen Wellen (z. B. an Licht) und an Materiewellen zu beobachten. Sie ist relativ stark, wenn die Wellenlänge λ im Vergleich zu den Abmessungen des abbeugenden Hindernisses groß ist; im umgekehrten Fall ist sie gering und kann unmerklich werden. Zum Beispiel folgen Rundfunkwellen im Lang- und Mittelwellenbereich (λ einige hundert Meter) der Erdkrümmung; für Ultrakurzwellen (λ ≈ 1 m) ist die Erdoberfläche schon zu stark gekrümmt; Schallwellen in Luft (λ zwischen 2 cm und 20 m) laufen umso besser um nicht zu große Hindernisse, je niedriger ihre Frequenz ist, ebenso Wasserwellen. Bei Lichtwellen (λ ≈ 5 · 10-7 m) kann die Beugung nur selten unmittelbar beobachtet werden. An Röntgenstrahlen (λ ≈ 10-10 m) ist der Nachweis der einfachen Beugung zuerst nur mit großem Aufwand gelungen (B. Walter und R. W. Pohl, 1911). Für sie kommen als beugende Hindernisse nur die in Kristallgittern angeordneten Atome infrage, deren Abstand hier von der gleichen Größenordnung wie die Wellenlänge der Röntgenstrahlen ist (Röntgenbeugung). Das Gleiche gilt für die Beugung von Elektronen- und Neutronenstrahlen als Beispiele für die Beugung von Materiewellen (Elektronenbeugung, Neutronenbeugung).
Besonders eingehend wurden in der Optik die Beugungserscheinungen des Lichtes (Lichtbeugung) als eine stets zusammen mit Interferenz auftretende Abweichung der Lichtausbreitung vom geometrisch-optischen Strahlengang untersucht; sie werden immer dann beobachtet, wenn das Licht in seiner freien Ausbreitung durch Blenden, Schirme oder sonstige Körper, auch durch Dichteschwankungen des Ausbreitungsmediums (Debye-Sears-Effekt) und durch Dickenunterschiede im lichtdurchlässigen beugenden Körper (z. B. beim Durchgang durch Beugungsgitter), behindert oder beeinflusst wird. Man beobachtet z. B. in der Nähe jeder Grenze zwischen Licht und Schatten parallel zur Schattengrenze laufende hellere und dunklere Streifen, die durch Interferenz entstehen und als Beugungsbild oder -Figur bezeichnet werden. zeigt oben das aus hellen (Beugungsmaxima) und dunklen Interferenzstreifen (Beugungsminima) bestehende Beugungsbild eines schmalen Spaltes, das bei Beleuchtung mit einfarbigem (monochromatischem) parallelem Licht auf einem Projektionsschirm entworfen wird. Man erkennt an der darunter aufgetragenen Helligkeitsverteilung, dass die Intensität der Beugungsmaxima mit zunehmendem Abstand vom Bildzentrum rasch abnimmt. Aus der Spaltbreite b = A̅B̅ und der Lage der dunklen Streifen lässt sich die Lichtwellenlänge λ bestimmen. Dunkelheit tritt immer für solche Beobachtungsrichtungen ein, für die der Gangunterschied der Randstrahlen ein ganzes Vielfaches von λ ist. Es gilt dann: A̅B̅ · sin α = B̅C̅ = n · λ (mit n = 1, 2, 3,. ..), wobei α der Beugungswinkel zwischen dem abgebeugten Strahl und entweder der Normalen zur Spaltebene oder der Richtung des einfallenden Strahlenbündels ist. Der Streifenabstand ist umso größer, je kleiner die Spaltbreite und je größer die Wellenlänge ist. Die äquidistante Anordnung vieler solcher Spalte nebeneinander führt zu einem Beugungsgitter (Gitter), bei dem sich die Beugungsfiguren der einzelnen Spalte zu einem entsprechenden Beugungsbild überlagern. Die resultierenden Beugungsmaxima werden umso intensiver und schmaler, je größer die Zahl der beugenden Spalte ist. Bei Beleuchtung mit weißem Licht entsteht das farbige Beugungsspektrum, das durch Zusammenwirken aller Spalte zustande kommt.
Das Beugungsbild hinter kreisförmigen Scheiben oder hinter Kugeln besteht im Allgemeinen aus mehreren konzentrischen, abwechselnd hellen und dunklen, bei Verwendung von weißem Licht farbigen Beugungsringen und hat in der Mitte einen hellen Fleck. Derartige Beugungserscheinungen sind auch die z. B. von den Wassertröpfchen einer Nebelschicht hervorgerufenen Höfe um Sonne und Mond. Kreisrunde Blenden gleicher Größe (speziell Lochblenden) entwerfen entsprechende Beugungsbilder, die mit weißem Licht farbig sind. Dieser Fall hat praktische Bedeutung, da jede Linsenfassung als eine Beugung verursachende Lichtbündelbegrenzung wirkt. Deshalb weist jedes vom Objektiv eines Fernrohrs, Mikroskops oder Ähnliches entworfene Bild eines leuchtenden Punktes, selbst bei vollkommener Beseitigung aller Linsenfehler, eine gewisse Unschärfe auf, die von der Beugung an der Fassung herrührt. Die Beugung begrenzt daher das Auflösungsvermögen und die mit Nutzen anwendbare Vergrößerung dieser optischen Bauelemente oder Systeme. Wegen der Beugung kann außerdem ein enges Lichtbündel nicht auf längeren Strecken zusammengehalten werden.
Die Beugungs- und Interferenzerscheinungen lassen sich vollständig mithilfe des huygens-fresnelschen Prinzips (huygenssches Prinzip) deuten und verstehen, sofern kein Mitschwingen der beugenden Begrenzungen auftritt. Die Überlagerung der sich nach diesem Prinzip von jedem Punkt einer Wellenfläche beziehungsweise einer Öffnung oder eines Randes kugelförmig ausbreitenden Elementarwellen liefert exakt das beobachtbare Ausbreitungsbild der Wellen. Im Allgemeinen überlagern sich diese Elementarwellen so, dass ihre Resultierende mit der ursprünglichen Welle identisch ist. Am Rande eines Hindernisses finden jedoch die Elementarwellen einseitig keine Partnerwellen, mit denen sie interferieren können; sie breiten sich deshalb von dort kugelförmig nach allen Seiten, also auch in den Raum hinter dem Hindernis, aus und überlagern sich dabei zur Beugungswelle, die eine stark richtungsabhängige Intensität hat. So geht z. B. eine ebene Welle beim Durchgang durch eine sehr kleine begrenzende Öffnung durch Beugung in eine Kugelwelle mit einem bestimmten Öffnungswinkel über. Diese Erscheinung ist sachlich gleichbedeutend mit der heisenbergschen Unschärferelation in der Quantenmechanik, wonach eine Impulsmessung umso ungenauer ausfällt, je genauer der Ort bestimmt wird.
Das sich bei der theoretischen Behandlung der Beugungserscheinungen in der Beugungstheorie als Randwertproblem der zugehörigen Wellengleichung ergebende Kirchhoff-Integral kann als mathematische Formulierung des huygens-fresnelschen Prinzips verstanden werden. Man unterscheidet dabei zwei Klassen von Beugungserscheinungen: Die fraunhoferschen Beugungserscheinungen ergeben sich für große Abstände des Auf- beziehungsweise Beobachtungspunktes und der Lichtquelle vom beugenden Objekt. Man erhält sie experimentell, indem man die Lichtquelle in den Brennpunkt eines Kollimators setzt, der ein paralleles, auf das Beugungsobjekt auffallendes Lichtbündel erzeugt, und die in eine gegebene Richtung gebeugten Strahlen in der Brennebene eines Objektivs beobachtet. Beispiele der Fraunhoferbeugung sind die oben beschriebenen, von einem Spalt hervorgerufenen Beugungserscheinungen sowie die Aureolen. Die im Prinzip ähnlichen fresnelschen Beugungserscheinungen ergeben sich, wenn die Entfernung der Lichtquelle und des Beobachtungspunktes mit den Abmessungen der beugenden Objekte vergleichbar sind; sie werden also von divergierenden oder konvergierenden Strahlenbündeln erzeugt.
Für Wellen sehr geringer Wellenlänge (Röntgenstrahlen, Materiewellen von schnellen Elektronen u. a.) wirken die Atome der Kristallgitter als beugende Hindernisse. Diese natürlichen Beugungsgitter werden daher in der Röntgenspektroskopie sowie in der Röntgenfeinstrukturuntersuchung zur Strukturaufklärung der Stoffe benutzt; umgekehrt untersucht man anhand der Interferenzerscheinungen durch Beugung an Kristallen die Kristallstruktur (Kristallstrukturanalyse). Die Beugung von Elektronen an Oberflächen (LEED-Technik, RHEED-Technik) ermöglicht die Untersuchung von Oberflächenstrukturen und -vorgängen.
2) Sprachwissenschaft: die Flexion.
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Universal-Lexikon. 2012.