Kul|tur|phi|lo|so|phie 〈f. 19; unz.〉 deutende u. wertende Betrachtung der Kultur
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Kul|tur|phi|lo|so|phie, die <o. Pl.>:
Philosophie, die sich mit den allgemeinen Erscheinungen der Kultur u. den in ihr wirksamen Entwicklungs- u. Ordnungsgesetzen befasst.
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Kulturphilosophie,
im engeren Sinn die Wissenschaft vom Wissen um die Kultur. Als materiale und philosophische Anthropologie ist Kulturphilosophie die Wissenschaft von der menschlichen Lebens- und Kulturwelt, im eigentlichen Sinne also Kulturwissenschaft. In ersterer Hinsicht lässt sie sich historisch als eine Auslegung der geschichtlichen Denkweisen und Systementwürfe des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts betrachten (von J. G. Herders Kulturgeschichte bis zu F. Nietzsches Kulturkritik), in Letzterer ist sie als Versuch zu sehen, einen ganzheitlichen Problem- und Erkenntniszusammenhang der Philosophie angesichts des Zerfalls von Wissenschaft in Einzelwissenschaften zu bewahren. Insofern ist die Kulturphilosophie als Spätfolge der von I. Kant hervorgehobenen Antithese von Kultur und Zivilisation bezeichnet worden (W. Perpeet). Diese Sichtweise kann sich auf die Grundlagen und Ziele kulturphilosophischer Forschung stützen: 1899 zum ersten Male als Begriff formuliert (L. Steins Essays »An der Wende des Jahrhunderts. Versuch einer Kulturphilosophie«), nahm R. Eucken diese Neuschöpfung auf (»Geistige Strömungen der Gegenwart«, 1909) und setzte die Kulturphilosophie als Idee des »neuen Menschen« mit »neuer Kultur« der Scheinkultur industrieller Zivilisation entgegen. Als »philosophische Kultur« (G. Simmel), »Philosophie der Kultur« (H. Rickert), »Kulturgeschichte als Kulturwissenschaft« (W. Windelband) beherrschte die Kulturphilosophie die philosophische Diskussion der Jahrhundertwende. Die 1910/11 erstmals von Rickert herausgegebene Zeitschrift »Logos. Internationales Jahrbuch für Philosophie der Kultur« wurde zum Sprachrohr der Kulturphilosophie. Gefordert wird im ersten Band eine »philosophische Weltanschauung«, die »die so unübersehbar vielfältige und in sich zerrissene Kultur« (Windelband) so dringend benötige. Damit wird Kulturphilosophie notwendigerweise auch zur Kulturkritik. So soll »kritische Kulturphilosophie« bei E. Cassirer, analog zu Kants transzendentaler Logik, die Bedingungen und Gesetze einer Kultur erforschen und zu transkulturellen Konstanten vordringen, die die Einheit der kulturellen Erscheinungen gewährleisten sollen (»Philosophie der symbolischen Formen«, 3 Bände, 1923-29). Der Kulturphilosophie von O. Spengler, die eher eine Zivilisationskritik ist, liegt eine organizistische Auffassung von Kultur zugrunde (Kulturzyklentheorien). Eine Trennung zwischen formaler (systematischer) und materialer (historisch-konkreter) Kulturphilosophie lässt das unterschiedliche Verständnis von Kultur oder vielmehr Kulturwissenschaft deutlich werden: Während die formale Kulturphilosophie auf der Grundlage des Neukantianismus eine Art Wissenschaftslehre (»Logik und Erkenntnistheorie«; Windelband) der Kulturwissenschaften zu sein anstrebte (Rickert, W. Dilthey, Cassirer), ist die materiale Kulturphilosophie eher eine Kulturkritik (A. Gehlen, T. S. Eliot, A. J. Toynbee) oder vielmehr eine konkrete Kulturanthropologie (E. Rothacker, M. Scheler). Einflüsse der formalen Kulturphilosophie beziehungsweise ihrer neokantianischen Elemente finden sich in der Lebensphilosophie, in Schelers Wertethik, in der Phänomenologie (E. Husserl) und im Existenzialismus (M. Heidegger, K. Jaspers).
W. Perpeet: »K. um die Jahrhundertwende«, in: Naturplan u. Verfallskritik, hg. v. H. Brackert u. a. (1984).
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Kul|tur|phi|lo|so|phie, die <o. Pl.>: Philosophie, die sich mit den allgemeinen Erscheinungen der Kultur u. den in ihr wirksamen Entwicklungs- u. Ordnungsgesetzen befasst.
Universal-Lexikon. 2012.