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Vertrag von Nizza
Vertrag von Nizza,
 
von einer Regierungskonferenz der 15 EU-Staaten ausgearbeitetes, im Dezember 2000 im Rahmen des »Nizza-Gipfels« der Staats- und Regierungschefs verabschiedetes und am 26. 2. 2001 von den Außenministern in Nizza unterzeichnete Vertragswerk (reiner Änderungsvertrag sowie 3 zusätzliche Protokolle und 24 Erklärungen) zur Regelung der im Vertrag von Amsterdam nicht gelösten Fragen (Europäische Gemeinschaften, Europäische Union). Der Vertrag von Nizza, der wichtige Reformvorhaben der Union beinhaltet, bedarf noch der Ratifizierung durch alle EU-Staaten und der Zustimmung des Europäischen Parlaments, um in Kraft zu treten. Das Ziel, im Hinblick auf die geplante EU-Erweiterung eine Neuordnung der Stimmengewichtung im Rat der Europäischen Union, eine Reform der Europäischen Kommission hinsichtlich Größe und Zusammensetzung und einen weitestgehenden Übergang von Einstimmigkeitsentscheidungen zu Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit im Rat (»Amsterdam-left-overs«) zu erreichen, wurde allerdings nur zum Teil realisiert. So wurden lediglich 35 von 70 möglichen Vertragsbestimmungen in das Mehrheitsverfahren überführt, in zentralen Fragen der Steuer-, Sozial-, Einwanderungs- und Wirtschaftspolitik bleibt es beim Einstimmigkeitsprinzip. Ab Januar 2005 wird jeder Mitgliedstaat nur noch einen Kommissar stellen; über eine Obergrenze der Anzahl der Kommissare soll erst entschieden werden, wenn die EU durch Beitritte auf 27 Mitgliedstaaten angewachsen ist. Die Gesamtzahl der Abgeordneten im Europäischen Parlament wurde entgegen früheren Festlegungen (maximal 700) auf 732 erhöht. Deutschland behält 99 Abgeordnete, alle anderen derzeitigen Mitgliedsländer werden im Zuge der EU-Erweiterung Sitze abgeben müssen, da sich die Zusammensetzung des Parlaments stärker an den Bevölkerungszahlen der Mitgliedsländer orientieren wird. Komplizierter wurde die Stimmengewichtung im Rat der EU: Je nach Größe werden die Mitglieder in einer erweiterten EU zwischen 4 und 29 Stimmen erhalten. Für eine Mehrheitsentscheidung bedarf es künftig 169 Stimmen, die gleichzeitig die Mehrzahl der Mitgliedstaaten und 62 % der gesamten EU-Bevölkerung repräsentieren.
 
Darüber hinaus wird der Vertrag von Nizza eine weitreichende Reform des Gerichtswesens innerhalb der EU bewirken (mehr Zuständigkeiten für das Gericht Erster Instanz; Möglichkeit der Bildung spezialisierter Kammern, z.B. für Beamtenklagen; Beschleunigung der Verfahren), die verstärkte Zusammenarbeit auf die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ausdehnen und die EU-Außenwirtschaftsbeziehungen neu gestalten. Art. 7 des Unionsvertrages sieht (als Reaktion auf die »Österreich-Sanktionen« vom Frühjahr 2000) nunmehr »Empfehlungen« des Rates bereits für den Fall einer »eindeutigen Gefahr« einer schwerwiegenden Verletzung der in Art. 6 fixierten Grundsätze (Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte) vor.
 
Da mit dem Vertrag von Nizza nur eine Minimal-Lösung erreicht werden konnte, wurde die Forderung erhoben, künftige Vertragsergänzungen (die nächste ist für 2004 vorgesehen) nicht mehr Regierungskonferenzen, sondern einem Konvent anzuvertrauen, vergleichbar jenem, der die Europäische Grundrechte-Charta erarbeitet hat.
 
Literatur:
 
Der Vertrag von Nizza. Text u. Kommentar einschließlich der konsolidierten Fassung des EUV und EGV sowie des Textes der EU-Charta der Grundrechte, hg. v. K. H. Fischer (2001).

Universal-Lexikon. 2012.