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Religionsgesellschaften
Religionsgesellschaften,
 
Religionsgemeinschaften, Vereinigungen, deren Mitglieder sich zu einer gemeinsamen Religion bekennen und die gemeinsame Religionsausübung pflegen. Der aus dem Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 übernommene Begriff ist auch heute noch im Staatskirchenrecht die Sammelbezeichnung für alle religiösen Vereinigungen, unabhängig von deren Größe und jeweiligen juristischen Organisationsform. Die Landesverfassungen verwenden stattdessen mehrheitlich den Begriff »Religionsgemeinschaften« für kleinere religiöse Gruppierungen in Abgrenzung zu den großen Volkskirchen (katholische Kirche, evangelische Landeskirchen). Während viele Staaten nur eine einzige Religionsgesellschaft im Sinne einer Staatskirche öffentlich anerkennen oder nur eine bestimmte Anzahl staatlich anerkannter Religionsgesellschaften zulassen, existiert in Deutschland religiöse Vereinigungsfreiheit. Diese wird verfassungsrechtlich durch drei Grundsätze garantiert: die individuell und korporativ gewährleistete Religions(ausübungs)freiheit (Art. 4 Absätze 1 und 2 GG, Art. 140 GG, Art. 137 Absatz 2 Weimarer Reichsverfassung, WRV), die Trennung von Staat und Kirche (Art. 140 GG, Art. 137 Absatz 1 WRV) und das Selbstverwaltungsrecht der Religionsgesellschaften (Art. 140 GG, Art. 137 Absatz 3 WRV). Die Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts; einige Religionsgesellschaften (besonders die großen Volkskirchen) haben seit langem die Rechtsstellung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, die grundsätzlich auch andere Religionsgesellschaften bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (Art. 140 GG, Art. 137 Absatz 5 WRV) erwerben können. An den öffentlich-rechtlichen Status ist die Befugnis zur Steuererhebung (Kirchensteuer) geknüpft. - In der DDR wurde mit der Verfassungsänderung von 1968 die bis dahin garantierte religiöse Vereinigungsfreiheit aufgehoben. Das Recht der Kirchen und anderer Religionsgesellschaften, ihre Angelegenheiten selbst zu ordnen, blieb erhalten.
 
In Österreich garantiert der in Verfassungsrang stehende Art. 15 Staatsgrundgesetz 1867 den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsausübung und die selbstständige Ordnung und Verwaltung ihrer inneren Angelegenheiten im Rahmen der allgemeinen Staatsgesetze. Die gesetzliche Anerkennung von Kirchen oder Religionsgesellschaften ist im Gesetz vom 20. 5. 1874 geregelt, in verschiedenen Fällen ist auch eine Anerkennung von Kirchen unmittelbar durch Gesetz erfolgt. Bezüglich der katholischen Kirche wird neben dem Verweis auf das Konkordat 1934 angenommen, dass sie »historisch anerkannt« sei. - In der Schweiz ist die Freiheit auf Eintritt in beziehungsweise Austritt aus Religionsgemeinschaften in Art. 49 der Bundesverfassung gewährleistet. Religionsgemeinschaften können sich im Rahmen der privatrechtlichen Ordnung frei zusammenschließen und organisieren. Das früher verfassungsrechtlich verankerte Jesuitenverbot und das Verbot der Errichtung neuer Orden und Klöster wurde 1973 aufgehoben. Nach kantonalem Recht haben gewisse Religionsgemeinschaften öffentlich-rechtlicher Status, wobei ihnen besonders eine Steuerkompetenz zusteht: Die Mitgl.-Beiträge an die anerkannten Landeskirchen (römisch-katholische, reformierte und zum Teil christkatholische Kirche) können als Steuern mittels staatlicher Verwaltung eingetrieben werden.
 

Universal-Lexikon. 2012.