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Vereinigungsfreiheit
Ver|ei|ni|gungs|frei|heit, die (Rechtsspr.):
Koalitionsfreiheit.

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Ver|einigungsfreiheit,
 
früher Vereinsfreiheit, die verfassungsmäßig gewährleistete Freiheit der Staatsbürger, Vereine, Gesellschaften oder sonstige Zusammenschlüsse zu bilden und sich in ihnen zu betätigen. Die Vereinigungsfreiheit dient mit der Meinungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit v. a. der gesellschaftlichen Willensbildung. Sie gilt für politische, religiöse, ideelle, soziale, wirtschaftliche und andere Vereinigungen.
 
In Deutschland ist die Vereinigungsfreiheit ein Grundrecht aller Deutschen (Art. 9 Absatz 1 GG). Sie umfasst neben dem Recht, bestehenden Vereinigungen beizutreten, neue zu gründen, sich in der Vereinigung zu betätigen sowie dem Recht der Vereinigung selbst auf freie Funktionsentfaltung (positive Vereinigungsfreiheit) auch das Recht, privatrechtlichen Vereinigungen fernzubleiben (negative Vereinigungsfreiheit). Die Pflichtmitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaften (z. B. Handwerkskammer, Ärztekammer) berührt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht die Vereinigungsfreiheit, sondern nur die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Absatz 1 GG; sie ist nur dann unzulässig, wenn sie nicht mehr der Erfüllung verfassungskonformer öffentlicher Aufgaben dient. Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen (Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften) zu bilden, und die freie Betätigung dieser Koalitionen (Koalitionsfreiheit) ist durch Art. 9 Absatz 3 GG besonders geschützt.
 
Vereinigungen, deren Zwecke oder Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind gemäß Art. 9 Absatz 2 GG verboten; das Vereinsgesetz vom 5. 8. 1964 sieht im Interesse der Rechtssicherheit vor, dass eine Vereinigung erst nach Erlass des behördlichen Vereinsverbots (in der Regel durch den Landes- oder Bundesinnenminister) als verboten zu behandeln ist.
 
Die Stellung der politischen Parteien, v. a. die Gründungs- und Betätigungsfreiheit und die Anforderungen an die innere Organisation, sind speziell in Art. 21 GG geregelt. Über die Verfassungs-Widrigkeit und damit das Verbot einer politischen Partei entscheidet allein das Bundesverfassungsgericht (Parteienprivileg). Die Freiheit der Religionsgesellschaften ist durch Art. 140 GG in Verbindung mit den Regelungen der Weimarer Reichsverfassung geschützt.
 
In Österreich ist die Vereinigungsfreiheit durch Art. 12 Staatsgrundgesetz 1867, einen Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung 1918 und Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention verfassungsrechtlich gewährleistet. Zur Ausführung erging das die Bildung und polizeiliche Überwachung der Vereine regelnde Vereinsgesetz 1951. Nach dem Verbotsgesetz 1945 ist die Bildung nationalsozialistischer Organisationen verfassungsrechtlich verboten und gerichtlich strafbar.
 
In der Schweiz ist die Vereinigungsfreiheit als Individualrecht in Art. 56 der Bundesverfassung unter dem Titel der Vereinsfreiheit gewährleistet. Vereine mit rechtswidrigen oder staatsgefährdenden Zielen können verboten werden.

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Ver|ei|ni|gungs|frei|heit, die <o. Pl.> (Rechtsspr.): Koalitionsfreiheit.

Universal-Lexikon. 2012.