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Radbruch
Radbruch,
 
Gustav Lambert, Rechtsphilosoph, Strafrechtslehrer und Politiker, * Lübeck 21. 11. 1878, ✝ Heidelberg 23. 11. 1949; ab 1903 Dozent in Heidelberg, ab 1914 in Königsberg (heute Kaliningrad), ab 1919 in Kiel; 1920-24 Mitglied des Reichstags (SPD); Mitglied der verfassunggebenden Nationalversammlung; legte als Reichsjustizminister (1921-22, 1923) einen Reformentwurf für das StGB vor; ab 1926 Professor in Heidelberg (1933-45 amtsenthoben). - Radbruchs Rechtsphilosophie (»Grundzüge der Rechtsphilosophie«, 1914) stellt den letzten Entwurf einer klassischen rechtsphilosophischen Gesamtkonzeption dar. Sie hat ihr Fundament in der Wertphilosophie des südwestdeutschen Neukantianismus (H. Rickert, E. Lask, M. Weber). Das Recht ist danach weder lediglich ein positivierter Imperativ, wie der Rechtspositivismus annahm, noch Derivat eines überpositiven Naturrechts, sondern wertbezogene Kulturtatsache. Der unüberbrückbare Dualismus von Sein und Sollen mache allerdings eine Erkenntnis apriorischer Werte unmöglich und lasse nur einen systematischen Relativismus zu: Für das Recht ließen sich Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Zweckmäßigkeit als Höchstwerte konstatieren, die zueinander in einem antinomischen Spannungsverhältnis stünden, das nicht durch vernünftige Einsicht, sondern nur durch subjektives Bekenntnis gelöst werden könne. Unter dem Eindruck der Verbrechen des Nationalsozialismus modifizierte Radbruch seine Position dahin gehend, dass die Rechtssicherheit der Gerechtigkeit dort zu weichen habe, wo das Gesetz in unerträglichem Maße zur Gerechtigkeit in Widerspruch steht. Dann trete an die Stelle des gesetzlichen Unrechts das übergesetzl. Recht (»radbruchsche Formel«). - Radbruch war einer der wenigen deutschen Professoren, die dem nationalsozialistischen Regime entgegentraten.
 
Weitere Werke: Einführung in die Rechtswissenschaft (1910); Kulturlehre des Sozialismus (1922); Paul Johann Anselm Feuerbach (1934); Gestalten und Gedanken (1944); Der Geist des englischen Rechts (1946); Geschichte des Verbrechens (herausgegeben 1951, mit H. Gwinner); Der innere Weg. Aufriß meines Lebens (herausgegeben 1951).
 
Ausgabe: Gesamtausgabe, herausgegeben von A. Kaufmann, auf 20 Bände berechnet (1987 ff.).
 
Literatur:
 
P. Bonsmann: Die Rechts- u. Staatsphilosophie G. R.s (21970);
 H. Otte: G. R.s Kieler Jahre 1919-1926 (1982);
 B. Schumacher: Rezeption u. Kritik der R.'schen Formel (Diss. Göttingen 1985);
 A. Kaufmann: G. R. Rechtsdenker, Philosoph, Sozialdemokrat (1987).

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Rad|bruch, der: Bruch eines hölzernen Wagenrades.

Universal-Lexikon. 2012.