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Psychopharmaka
Psychophạrmaka
 
[griechisch phármakon »Heilmittel«, »Gift«], Singular Psychophạrmakon das, -s, zur Behandlung psychischer Störungen eingesetzte Arzneimittel (auch Psychotropika genannt), die auf Gehirnfunktionen einwirken und daher zu Veränderungen psychischer Funktionen wie Erleben, Befinden und Verhalten führen (psychotroper Effekt). Die Bezeichnung wurde bereits im ausgehenden Mittelalter gebraucht, erlangte ihre gegenwärtige Bedeutung jedoch erst mit der Entdeckung der inzwischen gebräuchlichen wirksamen Substanzen in den 1950er-Jahren. Psychopharmaka wirken auf die Erregungsübertragung von Nervenzellen, d. h., ihr Angriffspunkt sind die Synapsen von Nervenzellen. Unterschiede bestehen in biochemischer (physiologischer) Hinsicht durch die Beeinflussung verschiedener Überträgersysteme, bei denen die Neurotransmitter Dopamin, Serotonin, Noradrenalin, Histamin und Gammaaminobuttersäure (GABA) eine entscheidende Rolle spielen.
 
Nach ihren Hauptwirkungen auf psychiatrische Störungen lassen sich folgende Gruppen unterscheiden: 1) Neuroleptika, Neuroplegika werden bei akuten und chronischen schizophrenen Psychosen, bei Erregungszuständen sowie zur vorbeugenden Behandlung von Rückfällen schizophrener Psychosen eingesetzt. Zu ihnen gehören u. a. Phenothiazin-, Azaphenothiazin-, Thioxanthen- und Butyrophenonderivate. Ihre Hauptwirkung besteht in der Unterdrückung produktiv-psychotischer Symptome wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen, formalen Denk- und Ichstörungen. Ihre zentral dämpfende Wirkung (z. B. Müdigkeit) ist je nach Substanz unterschiedlich stark und kann therapeutisch erwünscht (z. B. bei Erregungszuständen) oder unerwünscht sein (v. a. in der Langzeitbehandlung). 2) Antidepressiva werden bei depressiven Syndromen verschiedener Ursache verwendet; sie hellen die Stimmung auf, vermindern Ängste und depressive Hemmung und steigern zum Teil auch den Antrieb. Die eingesetzten Substanzen (z. B. trizyklische oder tetrazyklische Verbindungen, Monoaminoxidase-Hemmer) wirken erst nach einer Einnahme über 1-2 Wochen und nur in etwa 80 % der Fälle. 3) Tranquilizer, Anxiolytika oder Ataraktika wirken bei Angst, Unruhe, Spannungszuständen, Gereiztheit und Schlafstörungen. Im Unterschied zu den genannten Gruppen können sie bei längerer Anwendung zur Abhängigkeit führen. In chemischer Hinsicht ist die bedeutendste Substanzgruppe die der Benzodiazepinderivate. Stoffe aus dieser Gruppe werden auch bei Epilepsie, Muskelspastik sowie zur Einleitung einer Narkose eingesetzt. 4) Lithiumsalze dienen zur Prophylaxe depressiver Phasen (Phasenprophylaxe) sowie zur Behandlung manischer Phasen.
 
Im weiteren Sinn gehören zu den Psychopharmaka auch Psychotonika, Psychostimulanzien wie Amphetamin oder dessen Derivate, die Antrieb und Wachheit steigern und v. a. missbräuchlich Anwendung finden.
 
Die besten therapeutischen Ergebnisse werden bei vielen psychischen Störungen erst durch die Kombination von Pharmako- und Psychotherapie erzielt. Über Psychotomimetika Halluzinogene.
 
Literatur:
 
W. Pöldinger u. F. Wider: Index psychopharmacorum (Bern 71990);
 V. Faust: P. Arzneimittel mit Wirkung auf das Seelenleben (1994);
 G. Laux u. a.: P. (51995);
 O. Benkert: P. Medikamente - Wirkung - Risiken (21996);
 O. Benkert u. H. Hippius: Psychiatr. Pharmakotherapie (61996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Neurotransmitter: Botenstoffe im Nervensystem
 
Schizophrenie und Therapie seelischer Erkrankungen
 

Universal-Lexikon. 2012.