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Parzival
Pạrzival,
 
Held des bedeutendsten und bestüberlieferten höfischen Romans, den Wolfram von Eschenbach um 1200-1210 in 24 810 Reimpaarversen schuf (über 80 Handschriften, darunter 16 vollständige, ein Druck von 1477). Hauptquelle für Wolfram war der unvollendete Versroman »Perceval« (um 1180) des Chrétien de Troyes. Ungeklärt blieb bisher die Frage nach dem provenzalischen Sänger Kyot, den Wolfram als Gewährsmann angibt. Wolfram stattete seine gegenüber der französischen Vorlage sehr frei gestaltete Parzival-Erzählung detailrealistisch mit einem bis dahin in der Dichtung nicht erreichten Maß an v. a. naturkundlich-medizinisches und astronomisches Wissen aus. Diese Verfahrensweise geht einher mit einer hochkomplexen (»dunklen«) Erzähltechnik, was in der Forschung v. a. zu Fragen nach Bildung und Publikum Wolframs geführt hat. Die bis heute gültige kritische Ausgabe des Werks besorgte 1833 K. Lachmann, der den Text in 16 Bücher und 827 Gruppen von je 30 Versen gliederte.
 
Inhalt:
 
Wolfram lässt Parzival nach dem frühen Tod seines Vaters Gahmuret, des Königs von Anschouwe, unter der Obhut seiner Mutter Herzeloyde in einsamer Wildnis aufwachsen. Als unerfahrener Jüngling zieht dann Parzival aus, den Hof des Königs Artus zu suchen. Ritterlich-höfische und kirchliche Unterweisung erhält er auf der Burg des Gurnemanz. Er vermählt sich mit Condwiramurs, deren Schloss er von Belagerern befreit. Dann zieht er nach der Gralsburg; da er dort nach dem Leiden des Gralskönigs Amfortas zu fragen versäumt, muss er weiterziehen. Er wird nach manchen Abenteuern am Artushof aufgenommen, doch da er auf der Gralsburg versagt hat, wird er von der Gralsbotin Kundrie aus der Tafelrunde ausgeschlossen und verflucht. Jahrelang irrt er nun umher, von Trotz gegen Gott erfüllt. Bei dem frommen Klausner Trevrizent vollzieht sich seine Versöhnung mit Gott, und er erfährt das Gralsgeheimnis. Auf der Gralsburg stellt er die Erlösungsfrage, Amfortas wird geheilt und Parzival König des Grals.
 
Die Rezeption des Parzival in der Folgezeit war außerordentlich weit reichend, regte zu literarischen Lobpreisungen Wolframs und zu Weiterdichtungen an (Albrecht von Scharfenberg, »Jüngerer Titurel«; Claus Wisse und Philipp Colin, »Nüwer Parzival«, 14. Jahrhundert; U. Füetrer, 15. Jahrhundert; Jakob Püterich von Reichartshausen, »Ehrenbrief«, 15. Jahrhundert) und ließ die Person Wolframs von Eschenbach selbst Eingang in die Dichtung finden, so z. B. im »Wartburgkrieg« (13. Jahrhundert). Zentrale Felder der Parzival-Forschung sind bis heute die Suche nach weiteren Nebenquellen der Dichtung, die Deutung der keltischen, christlichen und orientalischen Stoffe und Motive, v. a. des Grals und der Welt König Artus' (»Matière de Bretagne«), sowie fachsprachliche und wissenschaftsgeschichtliche Aspekte. - In der neueren Dichtung hat R. Wagner mit seinem Bühnenweihfestspiel »Parsifal« (Uraufführung 1882) den Stoff aufgegriffen. In seinem Gefolge hat dann v. a. die Neuromantik (K. Vollmoeller, A. Schaeffer) das Thema behandelt. Beispiele für aktuelle Bearbeitungen des Stoffes sind T. Dorsts Dramen »Merlin oder das wüste Land« (1981) und »Parzival« (1990) sowie C. Heins Drama »Die Ritter der Tafelrunde« (1989).
 
Ausgaben: Parzival, herausgegeben von K. Lachmann (61926, Nachdruck 1965); Wolfram von Eschenbach: Parzival, übersetzt von W. Spiewok, 2 Bände (1981).
 
Literatur:
 
J. Bumke: Die Wolfram-von-Eschenbach-Forschung seit 1945 (1970);
 J. Bumke: Wolfram von Eschenbach (71997);
 B. Schirok: P.-Rezeption im MA. (1982);
 B. D. Haage: Wolframs »P.« als Gegenstand medizin-histor. Forsch. (Habil. Würzburg 1988);
 C. Wasielewski-Knecht: Studien zur dt. P.-Rezeption in Epos u. Drama des 18.-20. Jh. (1993).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Erek und Parzival: Individuum und Gesellschaft im höfischen Roman
 

Universal-Lexikon. 2012.