Akademik

Nationalbewegungen
Nationalbewegungen,
 
die Gesamtheit der politischen Ideen, Bestrebungen und Organisationen, die für das Selbstbestimmungsrecht einer noch staatslosen Nation, deren Einigung in einem souveränen Nationalstaat und dessen Gleichberechtigung in der internationalen Staatengemeinschaft eintreten. Oft begnügen sich kleinere Nationen - freiwillig oder unter politischer Druck - mit innerer Autonomie oder Sonderrechten (z. B. auf kulturell-religiösem oder sprachlichem Gebiet) innerhalb eines größeren Staatswesens. Kristallisationskerne einer Nationalbewegung können Massenbewegungen oder Parteien sein, die von politischen oder intellektuellen Führungsgruppen getragen werden. Häufig entladen sich Nationalbewegungen unter Einwirkung sozialer und politischer Spannungen gewaltsam.
 
Bestimmt von Ideen sowohl der Französischen Revolution (1789) als auch der Romantik stellten die europäischen Nationalbewegungen (z. B. in Griechenland, Italien, Deutschland, Polen, Finnland, Böhmen, Mähren, Ungarn und Serbien) die übernationalen Reiche alten Typs infrage: das Osmanische Reich, Österreich-Ungarn, Russland oder den Deutschen Bund (als Nachfolger des Heiligen Römischen Reiches). Diese Nationalbewegungen waren politisch bestimmt von liberalen und demokratischen Richtungen des Bürgertums. Während die Nationalbewegungen in Italien und Deutschland nach den Revolutionen von 1848 zur Errichtung von Nationalstaaten führten, erreichten andere europäische Nationalbewegungen ihr Ziel erst im Zuge der Neuordnung Europas nach dem Ersten Weltkrieg (Polen, Finnland; der neu gebildete Zweivölkerstaat Tschechoslowakei bestand bis 1992). Die in Europa im 19. Jahrhundert entwickelte Synthese von Nationalbewegung und staatliche Selbstbestimmung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von den nach Unabhängigkeit strebenden Kolonien Afrikas und Asiens übernommen. (Autonomie, Befreiungsbewegung)

Universal-Lexikon. 2012.