Gotland,
schwedische Insel, die größte der Ostsee, 90 km von der schwedischen Ostküste entfernt, 117 km lang, bis 45 km breit, 3 001 km2, umfasst als Verwaltungsbezirk (Län) dazu die Insel Fårö (114 km2) und einige kleinere Inseln, zusammen 3 140 km2, (1994) 57 700 Einwohner. Gotland bildet ein nach Osten geneigtes Plateau silurischer Kalke und Mergel, meist 20-30 m hoch, und fällt mit schroffen Felswänden und isolierten Felspfeilern zum Meer ab. Westlich vorgelagert sind die beiden Felseninseln Stora und Lilla Karlsö. Wald wechselt mit Ackerland entsprechend dem geologischen Aufbau (Kalk im Wechsel mit Mergel, jeweils in nordöstliche Streichrichtung). - Das Klima ist mild (Januarmittel 0 ºC), es wachsen Kastanien und Walnussbäume. Neben Ackerbau (Gerste u. a. Getreide, Zuckerrüben) und Viehzucht (Schafe) hat Gotland Zementindustrie und Fremdenverkehr sowie Fischerei. Hauptort und einzige Stadt ist Visby. Zum Festland bestehen mehrere Fährlinien.
Gotland hatte in vorgeschichtlicher Zeit große Bedeutung für Verkehr und Kulturvermittlung im Ostseeraum. In der Jungsteinzeit lag es im Schnittpunkt der Kulturen nordeurasischer Jägervölker und der südskandinavischen Megalithkultur. In der Bronzezeit weisen die Kulturverbindungen Gotlands nach Dänemark, Mittelschweden und zur Bernsteinküste. Gräber in schiffsförmigen Steinsetzungen sind auffallende Zeugnisse des spätbronzezeitlichen Totenkults. Die Funde der vorchristlichen Eisenzeit, die nur schwache Hallstatt- und La-Tène-Einflüsse erkennen lassen, sprechen für eine weitgehende Isolierung der Insel in der Zeit von 500 bis 100 v. Chr. Aus der römischen Kaiserzeit bezeugen Importfunde enge Beziehungen zu Mitteleuropa. Etwa 200 gotländische Bildsteine, Grabmale aus der 2. Hälfte des 1. Jahrtausend n. Chr., haben durch figürliche Darstellungen und Runeninschriften Bedeutung für die Kenntnis von Kunst und Mythologie der Germanen.
Gotland, ab etwa 900 den schwedischen Königen tributpflichtig, wurde durch den norwegischen König Olaf II., den Heiligen, christianisiert. Seit 1288 gehörte es zu Schweden, 1361 eroberte der Dänenkönig Waldemar IV. Atterdag die Insel, wobei Visby, bis dahin Mittelpunkt des Handels v. a. der Hanse mit Russland, zerstört wurde. 1394-98 war Gotland Stützpunkt der Vitalienbrüder, die 1398 vom Deutschen Orden vertrieben wurden; dieser überließ die Insel 1408 Dänemark. Nach lang dauernden, wechselvollen Kämpfen sicherte sich Schweden 1645 im Frieden von Brömsebro endgültig die Herrschaft über Gotland, das 1676-79 noch einmal die Dänen und 1808 kurzzeitig die Russen besetzten. Im 19. Jahrhundert wurde die Insel stark befestigt.
Um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstand auf Gotland eine in gotländischem (gutnischem) Dialekt geschriebene Rechtsaufzeichnung (»Gutalag«), die die bäuerlich geprägten eigenständigen Rechtsgewohnheiten der Gotländer enthält und im Vergleich zu den festlandschwedischen Rechtsaufzeichnungen einen teilweise altertümlichen Charakter hat. Von dem Text wurde später eine niederdeutsche (Handschrift von 1401) und eine dänische (Handschrift Mitte des 15. Jahrhunderts) Übersetzung angefertigt.
Gotland erlebte vor allem zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert eine künstlerische Blütezeit, von der außer den Baudenkmälern der Hauptstadt Visby Burgen und über 90 Dorfkirchen zeugen. Mit der Fülle mittelalterlicher Kunstwerke auf engem Raum nimmt Gotland eine Sonderstellung in Schweden ein. Von den Stabkirchen des 11. Jahrhunderts sind keine bedeutenden Reste erhalten. Die Steinkirchen des 12. Jahrhunderts waren einschiffig mit Chor und Apsis im Osten und Turm im W. Im 13. Jahrhundert baute man unter dem Einfluss der Visbyer Kirchen zwei- oder dreischiffige Kirchen. Häufig sind gerader Chorschluss und quadratisches Langhaus. Spitzbögen finden sich schon früh, doch sind Rippengewölbe und Strebepfeiler selten. Die meisten Kirchen sind mit Fresken geschmückt (Garde, Vamlingbo, Gothem, Bunge u. a.). Hervorragende Fenster finden sich in Dalhem, Lojsta und Lye, Skulpturen in Bunge, Grötlingbo und Garde, Holzbildwerke in Ekeby, Väte und Öja. Besonders reiche Portale haben die Kirchen von Bro, Stånga, Hablingbo, Tingstäde, Dalhem und Lärbro. Lange Zeit war Gotland ein Mittelpunkt der Steinskulptur, wovon zahlreiche Taufsteine auf der Insel und als Exportgüter in den Ländern rund um die Ostsee zeugen.
W. Halfar: G. (1981);
G. Tausend Jahre Kultur u. Wirtschaftsgesch. im Ostseeraum, hg. v. R. Bohn (1988);
Universal-Lexikon. 2012.