Gọldmann,
1) [gɔld'man], Lucien, französischer Philosoph, Literaturtheoretiker und Literatursoziologe, * Bukarest 20. 7. 1913, ✝ Paris 8. 10. 1970; 1958 Professor an der École pratique des hautes études in Paris, seit 1965 zugleich am soziologischen Institut der Freien Universität in Brüssel; befasste sich mit der marxistischen Erkenntnistheorie (»Recherches dialectiques«, 1959, deutsch »Dialekt. Untersuchungen«; »Marxisme et sciences humaines«, 1970), begründete, insbesondere im Anschluss an die Frühschriften von G. Lukács und entwicklungspsychologische Ansätze von J. Piaget, Methode und Theorie des schulebildend wirkenden »genetischen Strukturalismus«. Nach Goldmann kommen die sozioökonomischen Strukturen, unbewusste Kollektiverfahrungen der Gruppen und Klassen, ihre Interessenkonflikte usw. in der Literatur aufgrund ästhetischer Verdichtungsprozesse in relativ einfachen, ästhetisch kohärenten Strukturen zum Ausdruck und können in ihnen erkannt werden.
Weitere Werke: Sciences humaines et philosophie (1952; deutsch Gesellschaftswissenschaften und Philosophie); Le Dieu caché. Étude sur la vision tragique dans les »Pensées« de Pascal et dans le théâtre de Racine (1955/56; deutsch Der verborgene Gott); Jean Racine dramaturge (1956); Pour une sociologie du roman (1964; deutsch Soziologie des modernen Romans).
Essays: Der christliche Bürger und die Aufklärung (1968); Structures mentales et création culturelle (1970).
A. Donaldson: The thought of L. G. (Lewiston, N. Y., 1996).
2) Nahum, zionistisch-jüdischer Politiker und Schriftsteller, * Wischnewo (Polen, heute Weißrussland) 10. 7. 1894, ✝ Bad Reichenhall 29. 8. 1982; lebte 1900-33 in Deutschland (Jura- und Philosophie-Studium), war - nach seiner Flucht aus Deutschland - 1935-40 Repräsentant der »Jewish Agency« beim Völkerbund; 1940 ging er in die USA. Als UN-Delegierter (1947/48; engagierte sich für den UN-Teilungsplan für Palästina, 1947), als Mitbegründer (1932) und Präsident des Jüdischen Weltkongresses (ab1951) sowie als Präsident der Zionistischen Weltorganisation (1956-68) war Goldmann maßgeblich an den Wiedergutmachungsverhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland (u. a. Abkommen vom 10. 9. 1952) sowie Österreich beteiligt und schon früh um einen Ausgleich Israels mit den arabischen Staaten bemüht. Seit 1964 lebte er in Israel; schrieb u. a. »Le paradoxe juif« (1976; deutsch »Das jüdische Paradox. Zionismus und Judentum nach Hitler«).
Universal-Lexikon. 2012.