Agrarkommunismus,
Agrarverfassung mit Gemeineigentum an landwirtschaftlichem Grund und Boden. Der Agrarkommunismus kann Bestandteil einer sozialistischen Gesamtordnung der Wirtschaft sein, oder das Gemeineigentum bleibt auf den landwirtschaftlich genutzten Boden beschränkt, während im Übrigen eine auf Privateigentum beruhende Wirtschaftsordnung gilt. Vor allem in der liberalen nationalökonomischen Theorie des 19. Jahrhunderts wurde der Agrarkommunismus als typische Urform der Agrarverfassung (Feldgemeinschaft des Stammes) angesehen.
Neuere Beispiele für gemeinschaftliche Eigentum und genossenschatliche Landbewirtschaftung außerhalb der sozialistischen Staaten (1945/49-1989/91) sind die Ejidos in Mexiko und die Kibbuzim in Israel. Während die Ejidos aus einer Bodenreform durch Enteignung des Großgrundbesitzes und Übergabe an Genossenschaften von Kleinbauern und Landarbeitern hervorgingen, geschah bei den Kibbuzim die Inbesitznahme des Landes durch die Einwanderer (Siedler) von Anfang an in der Form von Genossenschaften.
In der marxistischen Theorie ist Agrarkommunismus das Ziel der proletarischen Revolution auf dem Lande. Nach K. Marx und K. Kautsky führt die Entwicklung des Bodeneigentums in der kapitalistischen Epoche zum technisch-ökonomisch überlegenen Großbetrieb, der durch die Revolution in Gemeineigentum überführt werden soll. Während sich der Sozialismus in Mittel- und Westeuropa immer weiter davon entfernte und schließlich ganz abkehrte, griff der Bolschewismus die marxschen Gedanken auf. Da die vorausgesagte Entwicklung zum Großbetrieb nicht eingetreten war, setzte W. I. Lenin an die Stelle der marxschen Evolutionstheorie die Theorie der Taktik der agrarischen Umwälzung, nach der das »siegreiche Proletariat« die Masse der Bauern zur kommunistischen Großproduktion führt; das hierauf beruhende sowjetische Modell wurde nach 1945 mit Abweichungen auf Osteuropa übertragen (Bodenreform, Kollektivierung). Der chinesische Kommunismus entwickelte mit den Volkskommunen (seit 1958) einen besonderen Typ des Agrarkommunismus.
K. Kautsky: Die Agrarfrage (1899);
M. Pallmann: Der Kibbuz (1966);
F. Lütge: Gesch. der dt. Agrarverfassung vom frühen MA. bis zum 19. Jh. (21967);
J. Friedrich: Die Agrarreform in Mexiko (1968);
K.-E. Wädekin: Sozialist. Agrarpolitik in Osteuropa, 2 Bde. (1974-78);
Agrarreform in der dritten Welt, hg. v. H. Elsenhans (1979).
Universal-Lexikon. 2012.