Liv|land; -s:
historische Landschaft in Estland u. Lettland.
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Livland,
historische Landschaft im Baltikum; benannt nach den Liven, die an der Westküste des Rigaer Meerbusens und im Mündungsgebiet der Düna siedelten. Als Livland wurde zunächst das gesamte Gebiet zwischen der Ostsee, dem Peipussee und dem litauischen Herrschaftsbereich im Süden bezeichnet. Vermutlich aus dem Weichselgebiet vorrückende baltische Stämme überlagerten im 9. Jahrhundert zum Teil, vor allem im Süden und Südosten, die dünne Schicht finnougrischer Einwohner. Die Küstengebiete gerieten unter den Einfluss von Dänen und Schweden, im Landesinnern überwog der Einfluss der Ostslawen, der im 11. Jahrhundert zu Tributpflichten gegenüber Nowgorod und Polozk führte. Von Süden her bedrängten die seit der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts staatlich erstarkten Litauer die auch untereinander verfeindeten Stämme der Liven, Esten, Kuren, Semgaller und Lettgaller. Um 1160 errichteten lübische Kaufleute an der Dünamündung eine Handelsniederlassung; der deutsche Einfluss verstärkte sich, als um 1180 der Augustinerchorherr Meinhard aus dem holsteinischen Kloster Segeberg an der Düna mit der Missionierung begann. 1186 wurde er vom Bremer Erzbischof zum Bischof mit Sitz in Üxküll geweiht. 1201 gründete Bischof Albert I. Riga und verlegte dorthin den Bischofssitz. In seinem Ziel, der Errichtung einer geistlich-weltlichen Herrschaft, vom Schwertbrüderorden unterstützt, erreichte er 1207 die Belehnung mit Livland als Reichslehen.
Nach der vernichtenden Niederlage der Schwertbrüder gegen Litauer und Semgaller bei Saule (1236, Schaulen) übernahm der Deutsche Orden 1237 deren Aufgaben. Nach Unterwerfung der einheimischen Stämme und der Erwerbung der dänischen Gebiete in Estland (1346) wurde die politische Gestalt Livlands von fünf geistlichen Territorien geprägt: dem Erzbistum Riga, den Bistümern Dorpat, Ösel-Wik und Kurland sowie - als größtem - dem Ordensgebiet. Eine deutsche Oberschicht (Adel mit Großgrundbesitz, städtisches Bürgertum), die von Städten und Burgen aus über eine einheimische Bauernbevölkerung herrschte, richtete sich in Livland ein. Eine bäuerliche deutsche Ansiedlung kam nicht zustande. Innere Zwistigkeiten zwischen dem Orden und den Erzbischöfen von Riga, stetiger Kampf gegen litauische und russische Bedrohung bestimmten die Geschichte Livlands bis ins 16. Jahrhundert. Im Zuge der durch die Reformation ausgelösten Wirren und im Ringen Polen-Litauens, Schwedens und Moskaus um Livland (Livländischer Krieg) zerbrach die alte Einheit: Der N suchte Schutz bei Schweden, das »Fürstentum Esten in Livland« entstand; südlich und westlich der Düna wurde, nach Auflösung des Deutschen Ordens in Livland, 1561 Gotthard Kettler polnischer Lehnsherzog (»in Livland Herzog von Kurland und Semgallen«); die Mitte, das »überdün. Livland«, wurde polnisch, die Insel Ösel dänisch. Die überdün. Lande, an denen allein fortan der Name Livland haftete, fielen 1629/1660 an Schweden (mit Ausnahme Lettgallens), 1721 im Frieden von Nystad zusammen mit Estland an Russland. Seitdem war das Gouvernement Livland (Hauptstadt Riga) eine der drei russischen Ostseeprovinzen. Aus der russischen Niederlage im Ersten Weltkrieg und den Revolutionskämpfen gingen die Staaten Estland und Lettland hervor, unter die Livland geteilt wurde.
L. Arbusow: Grundr. der Gesch. Liv-, Est- u. Kurlands (Riga 31908, Nachdr. 1972);
R. Wittram: Balt. Gesch. Die Ostseelande L., Estland, Kurland 1180-1918 (1954, Nachdr. 1973);
N. Angermann: Studien zur L.-Politik Ivan Groznyjs (1972);
Dtl., L., Rußland - ihre Beziehungen vom 15. bis zum 17. Jh., hg. v. N. Angermann (1988);
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Polen (1572 bis 1795): Adelsrepublik im Schnittpunkt der Mächteinteressen
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Liv|land; -s: historische Landschaft in Estland u. Lettland.
Universal-Lexikon. 2012.