Zi|geu|ner|mu|sik 〈f. 20; unz.〉 Musik der Zigeuner (oft mit der ungarischen Volksmusik gleichgesetzt)
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Zi|geu|ner|mu|sik, die:
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Zigeunermusik,
die hauptsächlich von professionellen Spielern, früher oft wandernden »Zigeunermusikanten« gespielte Musik. Insgesamt lässt sich für die Zigeunermusik keine einheitliche, weltweit vertretene Ausdrucksweise feststellen, da sie in der Regel in Repertoire, Stil und Instrumentarium wesentlich von der Musik der jeweiligen Gastländer geprägt ist. Dagegen verbindet alle Zigeunermusik ein mehr unterschwelliges, dennoch charakteristisches Verwandtschaftsverhältnis v. a. hinsichtlich der Interpretationsweisen. Typisch sind der beständige Rubato-Vortrag, ein häufiger Wechsel zwischen schnellen schwungvollen und getragenen Tonpassagen während eines Stückes, ein die Melodielinie virtuos umspielender Verzierungsstil sowie gefühlsbetonter Vortrag und raues Stimmtimbre.
Besonders bekannt wurde im 19. Jahrhundert die ungarische Zigeunermusik (vor der Entdeckung der ungarischen Bauernmusik u. a. durch B. Bartók um 1900 wurden »ungarische« Musik und »Zigeunermusik« weitgehend gleichgesetzt). Sie geht von Verbunkos und Csárdás aus und ist eine volkstümliche städtische Musik. Ihre Wurzeln hat sie im Spiel der Zigeunermusikanten an ungarischen Höfen seit der Einwanderung der Sinti und Roma nach Europa um 1500. Die Ensembles bestehen aus Geige, in der Regel vom Leiter der Gruppe, dem so genannten Primas, gespielt, sowie Klarinette, Violoncello oder Bass und Hackbrett (Cimbalom). Charakteristisch ist der hohe Anteil an Gruppenimprovisation, die vom Primas initiiert beziehungsweise gelenkt wird, und eine entsprechende Formelhaftigkeit des musikalischen Grundmaterials. Diese Art der Zigeunermusik wurde u. a. in ungarischen Rhapsodien, Tänzen, besonders von F. Liszt, J. Brahms und beim frühen Bartók, nachgeahmt, prägte aber auch das Kolorit zahlreicher Operetten vor und nach der Jahrhundertwende.
Verschiedene Formen der Zigeunermusik finden sich von Iran bis zum Balkan und in Nordafrika. In der Türkei, in Ägypten, im Kaukasus und auf der Balkanhalbinsel bestand das traditionelle Festensemble aus der zylindrischen Trommel Dawul und der Oboe Zurna (heute oft von der modernen Klarinette ersetzt); in Rumänien kommen dazu auch Panflötenensembles. In Russland dominieren neben dem Gesang Akkordeon und Gitarre beziehungsweise Balalaika. Häufig in der Zigeunermusik dieser Gebiete ist auch das lautmalerische Nachahmen von Instrumenten durch Hände (Fingerschnipsen, Klatschen) und Mund- beziehungsweise Stimmgeräusche. Jenseits der Karpaten folgt die Zigeunermusik nicht mehr den westlichen Harmonieformen, sondern greift Bordunbegleitung auf.
Ein weiteres Zentrum für Zigeunermusik ist Andalusien. Die im Wesentlichen vokalen Stilarten des Cante jondo und Cante flamenco (Flamenco) beziehen spanische und orientalisch-maurische Traditionen ein. Als Begleitinstrument dient v. a. die Gitarre; häufig ist die Verbindung mit Tanz. Verarbeitet wurde diese Zigeunermusik u. a. von P. de Sarasate y Navascuéz, M. de Falla und M. Ravel.
Besonders in Westeuropa und den USA populär wurde der folkloristische so genannte Zigeunerjazz (Zigeunerswing). Typisch ist neben der traditionellen Violine das Gitarrenensemble mit Sologitarre und ein bis zwei Rhythmusgitarren sowie Begleitbass. Der Zigeunerjazz geht auf den Jazzgitarristen D. Reinhardt zurück und wurde — v. a. von Deutschland und Frankreich ausgehend — nach 1945 zu einem wichtigen Sprachrohr für die beginnende soziale Emanzipation der Sinti in Europa, u. a. durch Schnuckenack Reinhardt (* 1921), Häns'che Weiss (* 1951) und Bireli Lagrene (* 1966).
L. Lajtha: Instrumental music from Western Hungary. From the repertoire of an urban Gipsy band (Budapest 1988);
Die Musik der Sinti u. Roma, hg. v. A. Awosusi, auf mehrere Bde. ber. (1997 ff.).
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Zi|geu|ner|mu|sik, die: Musik der ↑Zigeuner (1).
Universal-Lexikon. 2012.