Wịl|lens|frei|heit 〈f. 20; unz.〉 Freiheit, nach eigenem Willen zu handeln, sich selbstständig zu entscheiden
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Wịl|lens|frei|heit, die <Pl. selten> (bes. Philos., Theol.):
Fähigkeit des Menschen, nach eigenem Willen zu handeln, sich frei zu entscheiden.
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I Willensfreiheit,
die Fähigkeit des Menschen, sich aus Freiheit Werte und Ziele zu setzen und diese im Handeln zu verfolgen, unabhängig von äußerer oder innerer Fremdbestimmung (Autonomie). Die Willensfreiheit wird vom Determinismus verneint, der von der durchgängigen kausalen Bestimmtheit der Handlungen durch äußere (Milieu) oder innere Bedingungen (genetische Anlagen, körperliche Voraussetzungen) ausgeht. Der Indeterminismus, der die Willensfreiheit bejaht, verneint nicht den Einfluss dieser Momente auf das Wollen, führt jedoch die letzten, konkreten Entscheidungen auf die Selbstbestimmung der Person zurück. Die Ethik versteht unter Willensfreiheit nicht Beliebigkeit des Tun-und-lassen-Könnens (Willkürfreiheit), sondern sittliche (autonome) Selbstverfügung. Bei I. Kant ist die Willensfreiheit des Individuums die Voraussetzung seiner moralischen Begabung und Verpflichtung. Für A. Schopenhauer liegt das Wesen des Menschen nicht im Denken oder Erkennen, sondern im Willen. Der Wille des Einzelnen ist jedoch unfrei und dem höheren Weltwillen untergeordnet, der die großen Zusammenhänge des Weltgeschehens lenkt. Bei F. Nietzsche unterliegt der menschliche Wille der Macht der Natur. - Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage der Willensfreiheit für die Theorie und Praxis des sittlich zurechenbaren Handelns, besonders im Strafrecht. (Verantwortung)
Religionsgeschichtlich steht die Willensfreiheit als freie Selbstentscheidung in Spannung zum Gedanken der göttlichen Allmacht. Besonders in der Scholastik ist die Lehre von der Willensfreiheit (lateinisch arbitrium liberum) Teil eines metaphysischen Systems: Der uneingeschränkten Offenheit der geistigen Erkenntnis des Menschen entspreche auf der Seite des Strebevermögens die nur durch den unendlichen Gott erfüllbare »Kapazität« des Willens, der deshalb unbestimmt frei bleibe gegenüber jedem endlichen Wert; Gott erscheint als Fundament der menschlichen Freiheit. Die katholische Theologie hält an der Willensfreiheit als durch die Sünde zwar geschwächter, aber nicht schlechthin verderbter Naturausstattung des Menschen fest. - Die evangelische Glaubenslehre schreibt dem Menschen (als vor Gott stehend) keine Willensfreiheit im Sinn einer Wahlfreiheit zwischen Sünde und Gehorsam gegen Gott zu. M. Luther brachte dies besonders mit seiner Lehre von der Rechtfertigung des Sünders allein durch die Gnade Gottes zum Ausdruck (in »De servo arbitrio«, 1525, gegen Erasmus' Schrift über den freien Willen: »De libero arbitrio. ..«, 1524), J. Calvin durch die Lehre von der doppelten Prädestination.
Thomas von Aquin: Die menschl. W., hg. v. G. Siewerth (1954);
M. Seils: Der Gedanke vom Zusammenwirken Gottes u. des Menschen in Luthers Theologie (1962);
B. Welte: Determination u. Freiheit (1969);
Augustinus: Der freie Wille (a. d. Lat., 41972, Nachdr. 1986);
E. Dreher: Die W. (1987);
I. Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (Neudr. 1996).
II
Willensfreiheit,
das teils behauptete, teils bestrittene Vermögen des Willens, sich Handlungsziele frei zu setzen oder nach bestimmten (z. B. ethischen, religiösen oder ideellen) Normen zu handeln, unabhängig von äußerem oder innerem Zwang beziehungsweise entsprechender Fremdbestimmung.
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Wịl|lens|frei|heit, die <o. Pl.> (bes. Philos., Theol.): Fähigkeit des Menschen, nach eigenem Willen zu handeln, sich frei zu entscheiden: Heißt W. also: in Gestalt unserer Entscheidungen unverursachte Verhaltensursachen in die Welt zu setzen? Eine derart verstandene W. kollidiert mit dem neurokybernetischen Verhaltensmodell (Zeit 10. 6. 99, 51).
Universal-Lexikon. 2012.