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Volksglaube
Vọlks|glau|be 〈m. 26; unz.〉 auf unverstandenen Erfahrungen beruhende volkstüml. Vorstellung vom Wirken übernatürl. Kräfte

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Vọlks|glau|be, (selten:) Vọlks|glau|ben, der (Volkskunde):
im Volk verbreiteter Glaube, Aberglaube.

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Volksglaube,
 
Bezeichnung für die Gesamtheit dessen, was Menschen in Bezug auf die außer- und übernatürliche Welt außerhalb der herrschenden Religion für wahr halten und das daher ihr Fühlen, Denken und Handeln nicht unwesentlich mitbestimmt; es ist zeit-, schichten- und kulturspezifisch. Die Volkskunde versucht, Inhalte und Formen des Volksglaubens aus der Bewusstseinslage zu verstehen, aus der sie entstanden sind. Dabei sind vielfältige Überschneidungen mythischer, magischer und religiöser Art gegeben, sodass verschiedentlich auch von Aberglaube gesprochen werden kann. Diese Bezeichnung ist aber zu eng, da nicht jeder Aberglaubensinhalt zum Volksglauben gehört: Viel literarisch bezeugter Aberglaube ist nie in das Volk gedrungen, z. B. die Alchimie und Nekromantie. Ausdruck des Volksglaubens sind z. B. Amulett und Talisman und viele andere Unheil abwendende (apotropäische) beziehungsweise Schutz gewährende Gegenstände (z. B. Alraun), Zeichen (Drudenfuß) und Sprüche (gesprochen und an bestimmte Stellen geschrieben; Zauberformeln), oft auch mit betont religiösem Anteil (Votive, Reliquien). Praktiken des Volksglaubens sind u. a. Beobachtung von Vorzeichen, Voraussage der Zukunft (Horoskop, Handlesen [Chiromantie], Orakel [z. B. Wachs- beziehungsweise Bleigießen], Traumdeutung; Mantik), Fruchtbarkeits- beziehungsweise Liebeszauber (u. a. Gebildbrote) und Weihehandlungen. In jüngster Zeit hat aufgrund der technisch-rationalistischen Aufklärung, die aber innerliche Lebenssicherung nicht bieten und existenzielle und emotionale Krisen nicht beseitigen kann, oftmals kommerziell genutzter moderner Aberglaube als Mischung aus religiösen, therapeutischen und exotischen Quellen (Pendel, Raten, Astrologie, Hellsehen u. a.; Esoterik) an Bedeutung gewonnen.
 
Literatur:
 
Hwb. des dt. Aberglaubens, hg. v. H. Bächtold-Stäubli, 10 Bde. (1927-42, Nachdr. 1987);
 E. Stemplinger: Antiker V. (1948);
 Leopold Schmidt: V. u. Volksbrauch. Gestalten, Gebilde, Gebärden (1966);
 M. Scharfe u. a.: Volksfrömmigkeit. Bildzeugnisse aus Vergangenheit u. Gegenwart (1967);
 G. Korff: Heiligenverehrung in der Gegenwart. Empir. Unterss. in der Diözese Rottenburg (1970);
 É. Delaruelle: La piété populaire au moyen âge (Turin 1980);
 K. Beitl: V. Zeugnisse religiöser Volkskunst (1983);
 
Volksfrömmigkeit in Europa. Beitrr. zur Soziologie popularer Religiosität aus 14 Ländern, hg. v. M. N. Ebertz u. a. (1986);
 
Volksfrömmigkeitsforschung, Beitrr. v. W. Brückner u. a. (1986);
 H. Fillipetti u. J. Trotereau: Zauber, Riten u. Symbole. Mag. Brauchtum im V. (a. d. Frz., 21987);
 E. u. L. Gattiker: Die Vögel im V. (1989);
 
Glaube im Abseits. Beitrr. zur Erforschung des Aberglaubens, hg. v. D.-R. Moser (1992);
 
Popular religion in Germany and Central Europe, 1400-1800, hg. v. B. Scribner u. T. Johnson (Houndsmill 1995).

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Vọlks|glau|be, (selten:) Vọlks|glau|ben, der (Volksk.): im Volk verbreiteter Glaube, Aberglaube.

Universal-Lexikon. 2012.