Schä|fer|dich|tung 〈f. 20〉 = Hirtendichtung
* * *
Schä|fer|dich|tung, die (Literaturwiss.):
Hirtendichtung der europäischen Renaissance u. des Barocks, in der die ländliche Welt der Schäfer u. Hirten manieristisch gestaltet u. auf einer künstlichen, wirklichkeitsfremden Ebene dargestellt wird.
* * *
Schäferdichtung,
Hirtendichtung, arkadische Dichtung, bukolische Dichtung, Dichtung, die sich aus der Wirklichkeit in eine idyllische Welt (Arkadien) der Hirten flüchtet. Theokrit schrieb nach 300 v. Chr. Hirtengedichte, an die im 1. Jahrhundert v. Chr. Vergil mit seiner »Bucolica« (auch »Eclogae« genannt) anknüpfte (Idylle). Die Schäferdichtung war schon bei ihren Gründern Gesellschaftsdichtung und Ausdruck einer hoch entwickelten Spätkultur (Hellenismus). Die Renaissance griff die antiken Vorbilder auf, so besonders Petrarca und Boccaccio. In dieser Tradition steht die europäische Schäferdichtung, die im Rahmen der im 16. und 17. Jahrhundert in Europa verbreiteten Mode der Schäferei entstand, wobei die Hirtenwelt zur konventionellen Fiktion wurde. - Schäferdichtung ist Rollendichtung, sie ist formal gekennzeichnet durch die Vermischung der Gattungen, v. a. durch das Vorherrschen des lyrisch-musikalischen Elements, z. B. in Eklogen, in denen Prosa und kunstvolle Verse, Dialoge und Lieder kantatenhaft gemischt sind, oder im Schäferspiel und schäferlichen Singspiel, das in melodischen Versen mit Lied- und Gedichteinlagen lyrische Situationen dramatisiert. Richtungweisend war T. Tassos »Aminta« (1580), von europäischer Wirkung G. B. Guarinis »Il pastor fido« (1590). Im Barock entstand, beeinflusst durch den Amadisroman, der Schäferroman: Die Prosaform ist durch obligatorische lyrische Einlagen aufgelockert, Verschlüsselungen und allegorische Elemente nehmen größeren Raum ein. Die weitgehend normierte (Liebes-)Handlung bleibt dem höfischen Gesellschaftsideal untergeordnet. Als wichtige Vertreter des Schäferromans gelten u. a. I. Sannazaro, J. de Montemayor, Lope Félix de Vega Carpio, P. Sidney, E. Spenser, J. Barclay, P. C. Hooft, v. a. aber H. d'Urfé, dessen in ganz Europa verbreiteter Roman »L'Astrée« (6 Teile, 1608/10-27) Höhepunkt der Schäferdichtung war. Die deutsch Schäferdichtung, die erst im 17. Jahrhundert ihren Anfang nahm, blieb von den romanischen Vorbildern abhängig, auch als auf die zahlreichen Übersetzungen (seit 1619) und Bearbeitungen (besonders durch M. Opitz) selbstständige Werke folgten, unter denen besonders Singspiele und Opern große Erfolge hatten. Wichtige Beiträge für die deutsche Schäferdichtung lieferten v. a. auch die Mitglieder des von G. P. Harsdörffer und J. Klaj 1644 gegründeten Nürnberger Dichterkreises (z. B. S. von Birken), daneben Opitz, A. Buchner, P. von Zesen, P. Fleming und G. R. Weckherlin sowie, für die religiöse Schäferdichtung, F. Spee von Langenfeld. - Die Aufklärung versuchte der Gattung theoretisch feste Regeln zu geben, wobei es auch zu Ansätzen einer Erneuerung im ursprünglichen Sinne kam (K. W. Ramler, C. M. Wieland); so verbinden S. Gessners »Idyllen« (1756) Elemente der antiken Bukolik mit bürgerlicher Sentimentalität. Bukolische Gelegenheitsdichtung beziehungsweise Kleinformen erotischer Schäferdichtung im Geiste der Anakreontik finden sich u. a. bei J. C. Rost, J. W. L. Gleim, J. P. Uz, J. N. Götz, F. von Hagedorn, C. F. Gellert und dem jungen Goethe.
S., hg. v. W. Voßkamp (1977);
K.-H. Stanzel: Liebende Hirten. Theokrits Bukolik u. die alexandrin. Poesie (1995).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Schäferdichtung: Von Vergil nach Arcadia
* * *
Schä|fer|dich|tung, die (Literaturw.): Hirtendichtung der europäischen Renaissance u. des Barocks, in der die ländliche Welt der Schäfer u. Hirten manieristisch gestaltet u. auf einer künstlichen, wirklichkeitsfremden Ebene dargestellt wird.
Universal-Lexikon. 2012.