Pan|is|la|mịs|mus 〈m.; -; unz.〉 Bestreben, alle islam. Völker zu vereinigen [<grch. pan „alles“ + Islam]
* * *
(im 19. Jh.) Streben nach Vereinigung aller islamischen Völker.
* * *
Pan|islamịsmus
der, -, pan|islamische Bewegung, in der nichtislamischen (westlichen) Welt geprägte Bezeichnung für die Bestrebungen in der islamischen Welt, unter Berufung auf eine allen islamisch bestimmten Völkern und Staaten gemeinsame islamische Identität die Zusammenarbeit und Solidarität zwischen ihnen zu fördern. Im weiteren Sinn kann man von einem solchen allislamischen Gemeinschaftsbewusstsein bereits in der Entstehungsphase des Islam sprechen; im engeren Sinn entwickelte es sich im 19. Jahrhundert mit dem Ziel, dem wachsenden politischen und kulturellen Einfluss Europas entgegenzuwirken und ihm v. a. das islamische Prinzip der Einheit von Religion und staatlicher Ordnung entgegenzusetzen.
Einen Panislamismus im Sinne des rationalistischen Reformislam (Islam) propagierten Djamal ad-Din al-Afghani und sein Schüler M. Abduh. 1903 gründete Abdallah Suhrawadi in London die »Panislamische Gesellschaft« und gab eine Zeitschrift heraus, die islamischen Wertmaßstäbe den Grundsätzen europäischer Ethik gegenüberstellte. Träger des Panislamismus wurden besonders islamische Bruderschaften, z. B. die Senussi.
Als Inhaber des Kalifats beanspruchten die Sultane des Osmanischen Reiches die Anerkennung als Oberhaupt der islamischen Welt durch alle Muslime (auch außerhalb ihres unmittelbaren Herrschaftsgebiets). Darüber hinaus suchte v. a. Sultan Abd ül-Hamid II. angesichts der Expansion der europäischen Großmächte in den islamischen Raum, mithilfe des Panislamismus die Einheit seines Reiches zu wahren. Er stellte den Panislamismus als einigendes Band zwischen Arabern und Türken heraus.
Mit dem Sturz Abd ül-Hamids II. überschritt der Panislamismus seinen Höhepunkt. Nationalistische, an europäischen Ideen orientierte politische Strömungen stellten den Panislamismus infrage. Die Bewegung der Jungtürken, die durch Reformen nach europäischem Vorbild das Osmanische Reich zu stärken suchte, und die panarabische Bewegung, die die Herrschaft des osmanischen Sultans über die Araber zu beseitigen trachtete, dafür aber die politische Einheit aller Araber (gleich welchen Glaubens) erstrebte, gerieten immer stärker in Widerspruch zur panislamischen Idee. Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches (1918) und der Abschaffung des Kalifats (1924) durch die republikanische Türkei suchten islamische Kräfte, besonders die Khilafatbewegung in Indien, die panislamischen Bestrebungen neu zu beleben, den Titel des Kalifen neu zu schaffen und die Institution des Kalifats auf eine oberste Autorität in Mekka zu übertragen. Internationale Konferenzen im Sinne des Panislamismus fanden 1926 in Kairo und Mekka sowie 1931 in Jerusalem statt.
Im Zuge der Entkolonialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt die panislamische Idee mit der Gründung volkreicher islamischer Staaten (v. a. Pakistan und Indonesien) wieder begrenzt Auftrieb; Pakistan wurde das Zentrum eines Panislamismus, der nicht mehr auf die Errichtung einer obersten islamischen Autorität zielte, sondern auf die gegenseitige Solidarität unabhängiger islamischer Staaten bei der Lösung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Probleme. In den 1950er-Jahren fanden panislamische Konferenzen in Karatschi (1951), Jerusalem (1953), Mekka (1954) und Lahore (1957-58) statt. Seit den 1960er-Jahren wird der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den islamischen Staaten besonders durch die Liga der islamischen Welt (gegründet 1962) und die Organisation Islamische Konferenz (gegründet 1969) getragen.
* * *
Universal-Lexikon. 2012.