Chas|si|dịs|mus 〈[ xas-] m.; -; unz.; Rel.〉
1. jüd. religiöse Bewegung, im mittelalterlichen Deutschland eine mystische, aber populäre Parallelströmung zur Kabbala
2. 〈i. e. S.〉 in der Mitte des 18. Jh. von Israel ben Elieser (1699-1760) begründeter osteuropäischer C., der aus Ressentiment gegen die offizielle, rabbinisch beherrschte Religion sich wieder an die volkstümliche, lebendigere Form der Kabbala des 16./17. Jh. annäherte; →a. Kabbala
[→ Chassidim]
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Chas|si|dịs|mus, der; -:
im 18. Jh. entstandene religiöse Bewegung des osteuropäischen Judentums, die eine lebendige Frömmigkeit anstrebt.
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Chassidịsmus
[ç-, x- ; zu hebräisch ḥạsîd »Frommer«] der, -, Chasidịsmus, Bezeichnung für zwei religiöse Bewegungen innerhalb des Judentums.
1) aschkenasischer Chassidismus, eine esoterische Strömung in Mitteleuropa im 13. und 14. Jahrhundert, später mit der Kabbala verschmelzend. Im Unterschied zu dieser war der Chassidismus mehr kontemplativ als spekulativ, mehr populär und wirkte direkter auf die Frömmigkeit. Es wurde der Unterschied betont zwischen Gott selbst (transzendent) und seiner Manifestation, mit der sich die Seele durch Kontemplation (Thora- und Gebetsmystik, Gottesnamen- und Buchstabensymbolik) und asketischer Lebensweise verbindet.
2) osteuropäischer Chassidismus, eine volkstümliche Bewegung als Folgeerscheinung des Sabbatianismus, aber ohne dessen messianisch-häretische Züge. Im 18. Jahrhundert griff sie von armen und bildungsmäßig vernachlässigten Gebieten (Podolien) bald auf Galizien und Polen über. Als Gründer gilt Israel Ben Eliezer (genannt Baal Schem Tov). Nach der organisatorisch und ideologisch entscheidenden Phase unter Dob Bär von Meseritsch (✝ 1772) entstand ein fest gefügtes chassidisches Organisationsprinzip, indem die ehemals charismatischen Führergestalten (Zaddikim, hebräisch »Gerechte«) regelrechte Dynastien gründeten. Deren überregionale Anhängerschaft bildeten nicht Sondergemeinden, sondern nur Gebetsgemeinschaften innerhalb der Ortsgemeinden, die sich von Zeit zu Zeit am »Hof« ihres »Zaddiks« oder »Rebbe« einfanden. Im 19. Jahrhundert entstand der »praktische« Zaddiktypus, der einerseits von der Anhängerschaft lebte, andererseits in dieser für Hilfe sorgte. Dieser soziale Zug beseitigte aber nicht die Ursachen der sozialen Schwierigkeiten, diese wurden eher verfestigt, v. a. durch Begrenzung auf gewohnte Lerninhalte und Berufe, durch strikte Absonderung von der Umwelt und scharfe Ablehnung der Aufklärung. So blieb der Chassidismus bis heute eine der konservativsten Kräfte im Judentum. Seit dem Zweiten Weltkrieg fast nur noch in den USA und in Palästina vertreten, ist er auch dort nach den alten »Dynastien« gegliedert. Die gegenwärtig einflussreichste chassidische Gruppierung ist die Lubawitscher Gemeinde der chassidischen Chabad-Bewegung mit weltweit (1994) über 200 000 Mitgliedern.; 1951-94 geleitet von Menachem Mendel Schneerson.
Im Chabad-Chassidismus (Kunstwort, zusammengesetzt aus chokma »Weisheit«, bina »Einsicht«, daat »Wissen«, begründet von Schneur Salman [* 1746, ✝1812] von Ljadi) kam es seit 1900 allerdings zu einer auch im Bildungswesen fühlbaren Verbindung zwischen Tradition, chassidischer Frömmigkeit und Zuwendung zur Moderne. Aus der antirabbinischen Haltung der Gründerzeit erklärt sich eine bewusste Aufwertung der schlichten Frömmigkeit gegenüber der rabbinischen Gelehrsamkeit und die Betonung der Freude des chassidischen Gemeinschaftserlebnisses. Aus kabbalistischer Tradition stammt ein pantheistisch anmutender Glaube an die Präsenz göttlicher Lichtreste selbst in der unbelebten Natur. Die moderne Interpretation des Chassidismus durch M. Buber berücksichtigte nur bestimmte Aspekte.
S. Dubnov: Gesch. des C., 2 Bde. (1931, Nachdr. 1982);
H. M. Rabinowicz: The world of Hasidism (London 1970);
Johann Maier: Gesch. der jüd. Religion (1972);
A. Green: Understanding Hasidism (1976);
G. Scholem: Die jüd. Mystik in ihren Hauptströmungen (Neuausg. 1980);
I. G. Marcus: Piety and society (Leiden 1981);
Die Frommen in New York. Die Welt der Satmarer Chassidim, bearb. v. M. B. Weiss u. a. (1995).
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Chas|si|dịs|mus, der; -: im 18. Jh. entstandene religiöse Bewegung des osteuropäischen Judentums, die eine lebendige Frömmigkeit anstrebt.
Universal-Lexikon. 2012.