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Neandertaler
Neanderthaler (veraltet)

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Ne|ạn|der|ta|ler 〈m. 3nach dem im Neandertal bei Düsseldorf gefundenen vorgeschichtlichen menschlichen Skelett benannte Menschenrasse

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Ne|ạn|der|ta|ler, der; -s, - [nach dem Fundort im Neandertal bei Düsseldorf] (Anthropol.):
(durch Skelettfunde bezeugter) Mensch der Altsteinzeit.

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I
Neandertaler
 
Vor etwa 150 000 Jahren traten neue Menschenarten auf, die den heutigen Menschen schon sehr ähnlich waren. Dass der »Homo neanderthalensis« (Skelettreste wurden erstmals 1856 im Neandertal bei Düsseldorf entdeckt) ein halbtierischer »Urmensch« war, ist ein Vorurteil des 19. Jahrhunderts, als die biblische Vorstellung von Adam und Eva von Entwicklungstheorien abgelöst wurde, die die Anfänge nicht primitiv genug darstellen konnten, um den »Fortschritt« umso großartiger preisen zu können. Inzwischen hat die Forschung ergeben, dass die durchschnittliche Kapazität der zwar flacheren, aber recht großen Schädel auf Gehirne schließen lässt, die zwar etwas anders strukturiert gewesen sein mögen, aber durchschnittlich eher größer waren als unsere heutigen.
 
Die Spezialisierung der Steinwerkzeuge auf bestimmte Typen und Ausgangsmaterialien nahm zu. Regionale Unterschiede werden immer deutlicher erkennbar. Dabei heben sich manche Zonen mit stärkeren Veränderungstendenzen von solchen ab, in denen jahrzehntausendelang keine Neubildungen zu bemerken sind. Die Anzahl der Fundstellen und Materialien steigt an, und in vielen Regionen spielen Funde in Höhlen eine besondere Rolle, sodass man lange von »Höhlenmenschen« sprach. Dieser Umstand ist jedoch darauf zurückzuführen, dass ältere Ablagemengen in den Erosionsphasen des Eiszeitalters zerstört wurden, was vor allem für die flachen Felsschutzdächer gilt. Tiefere Höhlen wurden offenbar gemieden; vielleicht auch deshalb, weil solche Höhlen in tropischen Regionen voller Ungeziefer und Krankheitserreger waren.
 
Während bei den ältesten Funden menschlicher Überreste meist nicht zu erkennen ist, warum sie in die Fundschicht gelangten - Hinweise auf Kannibalismus sind schwer deutbar - ist eine größere Anzahl von Neandertalerskeletten bekannt, die aus angelegten Gräbern stammen. Vereinzelt lassen sich Knochen von Jagdtieren als Beigaben erkennen. Im einzigen Fall, wo entsprechende Untersuchungen angestellt wurden, fand man am Skelett viele Blütenpollen, sodass der Tote ganz in Blumen gebettet gewesen sein muss. In derselben Höhle in Irakisch-Kurdistan fand man auch die Überreste eines erwachsenen Mannes, der von Jugend auf so stark körperbehindert gewesen sein muss, dass er auf fremde Hilfe angewiesen war; trotzdem wurde er, über 40 Jahre alt und wahrscheinlich Opfer eines Erdbebens, sorgsam bestattet. Dieser Umgang mit den Toten setzte ein Verhältnis der Lebenden zum Tod voraus, das in den Bereich des Religiösen gehört. Die große Vielfalt der Bestattungsarten in der Folgezeit weist auf Glaubensvorstellungen hin, deren Tiefe heute allerdings unergründlich bleibt.
 
Wo und wie sich die Formen der heutigen Menschheit herausbildeten, ist ungewiss. Die besonders spezialisierten Neandertaler West europas gehören höchstwahrscheinlich nicht zu den direkten Vorfahren, die eher in Südwestasien, vielleicht auch in Afrika auftraten. Sie verbesserten die Fernwaffen (Harpunen und Wurfspeere) durch die Hebelkraft der Speerschleudern, entwickelten in baumarmen Steppen und Tundren Knochenwerkzeuge und spezialisierten sich als Jäger. Ferner schufen sie bewundernswerte Kunstwerke. Kleine Tier- und Menschenplastiken (»Venusstatuetten«) aus Elfenbein, Knochen oder Gestein sind bekannt, gewiss nur ein Bruchteil der damals auch aus leichter vergänglichen Materialien geschaffenen Werke. Abgesehen von »primitiveren« Vorläufern traten die ersten Werke vor rund 40 000 Jahren auf. Die Höhlenmalereien hatten ihre Blütezeit vor etwa 20 000 bis 15 000 Jahren. Ihre Verbreitung ist auf Teile Südfrankreichs und Nordspaniens begrenzt, doch liegt das wohl vor allem an den dort für Malereien besonders geeigneten großflächigen Höhlenwänden. Die bewegliche »Kleinkunst« dagegen ist selbst in Sibirien und im südlichen Afrika nachzuweisen.
 
Annähernd gleichzeitig breiteten sich die Menschen über die Kontinente der »Neuen Welt« aus. Vor rund 40 000 Jahren wurde Australien erreicht. Damals bildete zwar ein großer Teil Indonesiens eine Halbinsel des asiatischen Festlandes, vom südlichen Kontinent Australien (einschließlich Neuguinea) blieb er aber durch einen mindestens 40 km breiten Streifen offenen Meeres getrennt, das erst überwunden werden musste. Der Doppelkontinent Amerika wurde auf dem Weg über die Beringstraße vor etwa 20 000 Jahren erreicht. Über Alaska hinaus drangen die Menschen wohl erst einige tausend Jahre später nach Süden vor. Dann aber ging die Ausbreitung rasch weiter, sodass Feuerland bereits vor 10 000 bis 8000 Jahren erreicht wurde.
II
Neạndertaler,
 
nach dem 1856 in der Kleinen Feldhofer Grotte im Neandertal bei Düsseldorf gemachten Knochenfund benannte Menschenform. Der Neandertaler war eine Frühform des Homo sapiens (Homo sapiens neanderthalensis), die in weiten Teilen der Alten Welt zwischen 300 000 und 40 000 lebte. Die Kultur des Neandertalers ist das Mittelpaläolithikum. Viele Anthropologen sehen im Neandertaler eine ausgestorbene Seitenlinie der Menschheit. Diese Annahme wird durch 1997 durchgeführte Analysen alter DNA aus einem Neandertalerknochen gestützt. Deutliche Unterschiede zum morphologisch modernen Menschen sind die gedrungene, kräftige Körpergestalt, eine mäßige Körpergröße (1,60-1,78 m), ein flach gewölbter Hirnschädel mit einem Hirnvolumen von 1 500-1 600 cm3, starke Überaugenwülste, große, runde Augenhöhlen und ein Unterkiefer ohne vorspringendes Kinn. Der Neandertaler war ein auf seine Umwelt spezialisierter Altmensch (Paläanthropinen). Die Neandertaler lebten v. a. in der Tundra als Jäger und Sammler unter Bedingungen, wie sie heute etwa im nördlichen Lappland bestehen. Als Werkzeuge dienten ihnen v. a. Faustkeile und Abschlagwerkzeuge, daneben Schaber und Messer. - Die Zahl der jeweils gleichzeitig lebenden Neandertaler wird auf nicht viel größer als einige Tausend geschätzt. Aus den gefundenen Kulturgegenständen mit ihren immer wiederkehrenden Formen (so gut wie keine künstlerischen Erzeugnisse) und besonders aus der an fossilen Schädelresten erkenntlichen Form des Gehirns wird auf - im Vergleich zum heutigen Menschen - noch insgesamt geringe geistige Fähigkeiten geschlossen.
 
Literatur:
 
G. Bosinski: Der N. u. seine Zeit (1985).

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Ne|ạn|der|ta|ler, der; -s, - [nach dem Fundort im Neandertal bei Düsseldorf] (Anthrop.): (durch Skelettfunde bezeugter) Mensch der Altsteinzeit.

Universal-Lexikon. 2012.