Schöffen,
die ehrenamtlichen Richter im strafgerichtlichen Verfahren, und zwar beim Schöffengericht, bei den landgerichtlichen Strafkammern, beim Schwurgericht (dort bis 1972: Geschworene); die Schöffen der Jugendgerichtsbarkeit nennt man Jugendschöffen (Jugendstrafrecht). Nach §§ 28-58 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) können zu Schöffen nur Deutsche berufen werden. Bestimmte Personen können (z. B. Amtsunfähige) oder sollen (z. B. Personen unter 25 und über 70 Jahren, Regierungsmitglied, Richter u. Ä.) nicht zu Schöffen berufen werden, andere können die Berufung ablehnen (z. B. Parlamentsmitglieder, Ärzte und sonstiges medizinisches Personal). Der Ernennung geht eine Wahl voraus: Die Gemeindevertretungen stellen mit Zweidrittelmehrheit in jedem vierten Jahr eine Vorschlagsliste (Urliste) für Schöffen auf. Ein Ausschuss, bestehend aus einem Amtsrichter als Vorsitzendem, einem Verwaltungsbeamten und zehn von den Stadt- oder Kreisvertretungen gewählten Vertrauenspersonen, entscheidet über die Einsprüche gegen die Urlisten und wählt aus ihnen für die nächsten vier Geschäftsjahre die erforderliche Zahl der Hauptschöffen mit Zweidrittelmehrheit. Für etwa wegfallende Hauptschöffen werden Hilfsschöffen gewählt. Haupt- und Hilfsschöffen sind in Schöffenlisten aufzunehmen. Die Schöffen genießen richterliche Unabhängigkeit und üben in der Hauptverhandlung das Richteramt in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht wie die Berufsrichter aus und nehmen an allen in der Hauptverhandlung zu treffenden Entscheidungen teil (§ 30 GVG). Bei Abstimmungen stimmen sie vor dem Richter (§ 197 GVG). Der Schöffe ist verpflichtet, über die Beratung und Abstimmung Stillschweigen zu bewahren (§§ 43, 45 Deutsche Richter-Gesetz). - In Österreich ist zwischen Schöffen- und Geschworenengerichten zu unterscheiden. Die Berufung zum Schöffenamt regelt das Geschworenen- und Schöffengesetz 1990. - In der Schweiz ist die Bezeichnung Schöffe unbekannt, doch gehören den Strafgerichten unterer Instanz in den meisten Kantonen oft auch Laienrichter an.
Im Mittelalter waren die Schöffen ständige Urteilsfinder bei den Gerichten. Der Begriff taucht erstmals 774 im Zuge einer Gerichtsreform Karls des Großen auf, durch welche die bislang von Fall zu Fall eingesetzten Rachinbürgen durch Schöffen abgelöst werden, deren Tätigkeit als Amt institutionalisiert wird. Auf dem unter gräflichem Vorsitz abgehaltenen echten Ding bedurfte der Urteilsvorschlag der Schöffen der Zustimmung (Vollwort) des »Umstandes« (d. h. der Gerichtsgemeinde), während in dem vom Zentenar geleiteten »gebotenen Ding« die Schöffen alleinige Urteiler waren (Grund: Seit der karolingischen Gerichtsreform bestand für das gebotene Ding keine allgemeine Dingpflicht mehr). Die Grafen oder Königsboten bestellten Schöffen unter Mitwirkung des Volkes aus den angeseheneren Dingpflichtigen, besonders den größeren Grundbesitzern. Wer in fremde Dienste trat oder fremdes Land zu Lehen trug, konnte gleichwohl die Fähigkeit, Schöffe zu sein, behalten und weitervererben (so der schöffenbar Freie des Sachsenspiegels), wenn er wenigstens drei Hufen freien Landes als Handgemal besaß. Für die Entwicklung des Stadtrechts war im Mittelalter die Rechtsprechung der Schöffenstühle (Schöppenstühle) der Mutterrechtsstädte (z. B. Magdeburg) von hoher Bedeutung, bei denen als ihrem Oberhof die Tochterrechtsstädte und überhaupt die Gerichte Rechtsbelehrungen einholten. In der Neuzeit wurden die Schöffengerichte durch das Aufkommen des gelehrten Richtertums, seit der Rezeption des römischen Rechts durch die Rechtsprechung der landesherrlichen Verwaltungsbeamten oder Gerichte verdrängt; nur im Strafrecht erhielt sich die Schöffenverfassung teilweise bis ins 18. Jahrhundert, zum Teil länger bei den Rügegerichten. Die heutigen Schöffengerichte sind Neubildungen des 19. Jahrhunderts.
Universal-Lexikon. 2012.