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Raabe
Raabe,
 
1) Paul, Literaturwissenschaftler, * Oldenburg (Oldenburg) 21. 2. 1927; 1958-68 Leiter der Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, 1968-92 Direktor der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel; seit 1992 Direktor der Franckeschen Stiftungen; viele Publikationen zur Buch-, Bibliotheks- und Quellengeschichte, zum Expressionismus, Barock, zur Aufklärung und zur deutschen Klassik.
 
Werke: Einführung in die Bücherkunde zur deutschen Literaturwissenschaft (1961); Quellenkunde zur neueren deutschen Literaturgeschichte (1962); Quellenrepertorium zur neueren deutschen Literaturgeschichte (1966); Die Autoren und Bücher des literarischen Expressionismus (1985, mit I. Hannich-Bode); Spaziergänge durch Goethes Weimar (1990); Bibliosibirsk oder Mitten in Deutschland (1992).
 
Herausgeber: Index Expressionismus. Bibliographie der Beiträge in den Zeitschriften und Jahrbuch des literarischen Expressionismus, 18 Bände (1972).
 
Literatur:
 
P. R. zum 21. 2. 1977 von Freunden u. Mitarbeitern (1977);
 
Respublica Guelpherbytana.. .. Festschr. für P. R., hg. v. A. Buck u. a. (Amsterdam 1987).
 
 2) Wilhelm, Pseudonym Jacob Corvinus, Schriftsteller, * Eschershausen 8. 9. 1831, ✝ Braunschweig 14. 11. 1910; 1849 Beginn einer Buchhändlerlehre in Magdeburg, 1854 Besuch von philosophischen und historischen Vorlesungen in Berlin, wo er auch zu schreiben begann. Als freier Schriftsteller lebte er danach in Wolfenbüttel, später in Stuttgart, ab 1870 in Braunschweig. Wichtiges Kennzeichen seines Schaffens ist die treffsichere, plastische Darstellung der Wirklichkeit, in der auch Traum, Groteske, Imagination und Sehnsucht ein Platz eingeräumt wird. Raabe, der lange Zeit v. a. als idyllisch-gemütvoller Poet rezipiert wurde, zählt neben T. Fontane zu den bedeutenden Erzählern des deutschen (»poetischen«) Realismus. Das Werk umfasst Gegenwartsromane mit treffenden Schilderungen der Gesellschaft und tragischer Einzelschicksale, historische Romane, Novellen und Gedichte. Im Spätwerk, das besonders auch durch das Verlassen traditioneller Erzählhaltungen und die Eröffnung neuer Erzählperspektiven gekennzeichnet ist, zeigt sich die Tendenz zu humorvoller Verklärung der Resignation und zu humanistischer Kritik. In der Nachfolge Jean Pauls steht seine Bildungskritik unter dem Einfluss von L. Sterne, C. Dickens, W. M. Thackeray, G. W. F. Hegel, J. Böhme und A. Schopenhauer. Raabe selbst fühlte sich dem Erbe des Jungen Deutschland und der Philosophie des 19. Jahrhunderts (L. Feuerbach) verpflichtet. Einfacher, sachlicher Bericht, humoristische Steigerung, lyrisch-gebrochene Stimmungen, Verschlüsselungen und Anspielungen sind charakteristisch, Symbolik und Bildlichkeit bleiben realistisch. Raabes Sympathie galt den von der Gesellschaft unterdrückten und deformierten Charakteren, den Außenseitern und Sonderlingen. Spießertum, Bildungsphilister, politische und geistige Enge werden durch komische Verfremdung und Groteske kritisiert. Weitschweifende Darstellungsweise und persönliche Reflexion spiegeln dabei die Ambivalenz von Alltag und bürgerlich-idealistischem Bewusstsein.
 
Werke: Romane: Die Chronik der Sperlingsgasse (1857); Ein Frühling (1857); Die Kinder von Finkenrode (1859); Die Leute aus dem Walde, 3 Bände (1863); Der Hungerpastor, 3 Bände (1864); Drei Federn (1865); Abu Telfan oder die Heimkehr vom Mondgebirge, in: Über Land und Meer, Jahrgang 9, Heft 18 (1867); Der Schüdderump, 3 Teile (1870); Alte Nester, in: Westermanns Monatshefte, Band 46 (1879); Pfisters Mühle (1884); Unruhige Gäste (1886); Stopfkuchen (1891); Die Akten des Vogelsangs (1896); Altershausen (herausgegeben 1911).
 
Erzählungen: Die schwarze Galeere, in: Westermanns Monatshefte, Band 9 (1861); Unseres Herrgotts Canzlei, 2 Bände (1862); Der Regenbogen, 2 Bände (1869); Der Dräumling (1872); Meister Autor oder die Geschichten vom versunkenen Garten (1874); Zum wilden Mann, in: Westermanns Monatshefte, Band 36 (1874); Horacker (1876); Krähenfelder Geschichten, 3 Bände (1879); Das Horn von Wanza (1881); Prinzessin Fisch (1883); Das Odfeld (1889); Hastenbeck (1899).
 
Ausgaben: Sämtliche Werke. Braunschweiger Ausgabe, herausgegeben von K. Hoppe und anderen, 20 Bände und 4 Ergänzungsbände (1-31966-83); Werke in Einzelbänden, herausgegeben von H.-J. Schrader, 10 Bände (1985); Gesammelte Werke, herausgegeben von H. A. Neunzig und P. Bramböck (1987).
 
Literatur:
 
R.-Jb. (1949-50; fortgef. u. d. T. Jb. der R.-Gesellschaft 1960 ff.);
 K. Hoffmeister: W. R.s Leben u. Schaffen in biograph. Skizzen (1981);
 A. Klein: Versuch einer Interpretation von W. R.s Werk (1983);
 H.-W. Peter: W. R. Der Dichter in seinen Federzeichnungen u. Skizzen (1983);
 H. Denkler: Neues über W. R. Zehn Annäherungsversuche an einen verkannten Schriftsteller (1988);
 H. Denkler: W. R. Legende - Leben - Lit. (1989);
 H. Oppermann: W. R. Mit Selbstzeugnissen u. Bilddokumenten. .. (25.-27. Tsd. 1988);
 W. Fuld: W. R. Eine Biogr. (1993);
 U. Vormweg: W. R. Die histor. Romane u. Erzählungen (1993);
 A. Harnisch: Keller, R., Fontane (1994).

Universal-Lexikon. 2012.