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Kubakrise
I
Kubakrise
 
Der reibungslose Ablauf der von der Sowjetunion gedeckten rigorosen Absperrmaßnahmen der DDR-Führung zur Beendigung der Massenflucht ihrer Bürger und die Hinnahme des Berliner Mauerbaus durch die Westalliierten verleiteten Chruschtschow zu einer noch selbstbewussteren Haltung im atomaren Wettstreit mit der anderen Supermacht USA. Er verfolgte nach wie vor das Ziel, die Amerikaner zu einer nachgiebigeren Haltung gegenüber sowjetischen Forderungen in Europa zu bewegen.
 
Ende August 1961 kündigte Chruschtschow die Wiederaufnahme der von ihm 1958 einseitig eingestellten Kernwaffenversuche an. Während am 30. Oktober bei der Insel Nowaja Semlja im Eismeer der bis dahin größte thermonukleare Sprengkörper gezündet wurde, standen sich in Berlin am Sektorenübergang Friedrichstraße (»Checkpoint Charlie«) sowjetische und amerikanische Panzer einsatzbereit unmittelbar gegenüber.
 
Inzwischen intensivierte Chruschtschow die Unterstützung des unter fortwährendem amerikanischem Druck stehenden sozialistischen Regimes Fidel Castros (* 1927) auf Kuba. Castro war es 1959 gelungen, den Diktator Batista zu vertreiben und mit seiner Guerilla nach sechs Jahren Kampf die Revolution auf Kuba zu beginnen. Nicht zuletzt aufgrund der geopolitischen Lage der Insel kam es sehr bald zum ersten kubanisch-sowjetischen Handels- und Kapitalhilfeabkommen. Die USA reagierten mit einem partiellen Handelsembargo, das im Februar 1962 zu einem totalen ausgeweitet wurde. Im Frühjahr 1961 war ein von den USA geförderter Versuch von Exilkubanern gescheitert, eine Invasion auf Kuba in der Schweinebucht durchzuführen. Chruschtschow begann nun mit der Installierung sowjetischer Raketenstellungen auf Kuba, durch die die Metropolen der amerikanischen Ostküste unmittelbar bedroht werden konnten. Aus dieser Position heraus glaubte er Amerika zwingen zu können, auf seine Forderungen in Europa - Anerkennung der DDR, Abschluss eines Friedensvertrages mit beiden deutschen Staaten, Errichtung einer atomwaffenfreien Zone in Mitteleuropa - einzugehen. Als im September 1962 amerikanische Aufklärungsflugzeuge die sowjetischen Abschussrampen auf Kuba zweifelsfrei identifizierten, kam es im engsten Mitarbeiterstab des amerikanischen Präsidenten zu einer Serie von Krisensitzungen, an deren Ende Kennedy am 22. Oktober von Chruschtschow ultimativ den Abbau der Stellungen und den Rücktransport der Raketen in die Sowjetunion forderte.
 
Die Welt stand in den nächsten Tagen am Rande eines Nuklearkrieges zwischen den beiden Supermächten. Am 24. Oktober errichteten die USA eine Seeblockade gegen Kuba; am 28. Oktober ließ Chruschtschow nach einem geheimen Briefwechsel mit Kennedy die sowjetische Flotte abdrehen und ordnete an, mit der Demontage der Raketenstellungen zu beginnen. Kennedy ließ daraufhin im Frühjahr 1963 die Südrussland bedrohenden amerikanischen Raketenstellungen in der Türkei abziehen. Beide Mächte erkannten fortan die Notwendigkeit an, durch gegenseitige Kontaktaufnahme ähnliche Krisensituationen, die den Weltfrieden bedrohen könnten, von vornherein zu vermeiden. Eine gemeinsame Note beider Mächte an den UN-Generalsekretär U Thant im Januar 1963 beendete offiziell die Kubakrise.
II
Kubakrise,
 
Konflikt zwischen den USA und der UdSSR, ausgelöst durch den im Sommer 1962 begonnenen Bau von Abschussbasen für sowjetische Mittelstreckenraketen auf Kuba. Mit der Installierung dieser Waffen verfolgte die UdSSR drei Ziele: Absicherung des von F. Castro Ruz geführten Kuba gegenüber einer erneuten Invasion von außen (Schweinebucht), Etablierung eines politischen Vorpostens in der amerikanischen Hemisphäre, Gewinnung einer zusätzlichen nuklearen Option gegenüber den USA. Die Stationierung von Mittelstreckenraketen auf Kuba war für die UdSSR die einzige waffentechnische Möglichkeit, der zu diesem Zeitpunkt bestehenden strategischen Überlegenheit der USA entgegenzuwirken. Kurz vor Herstellung der Einsatzbereitschaft der Raketen verlangte der amerikanische Präsident J. F. Kennedy am 22. 10. 1962 in einer öffentlichen Erklärung von der UdSSR den Abbau der Basen und die Rückführung aller bereits gelieferten Raketen. Um die Anlieferung weiteren Materials zu verhindern, verhängten die USA über Kuba eine Seeblockade (22. 10.-20. 11. 1962); Kennedy rief die OAS und den Sicherheitsrat der UNO an. Die Krise spitzte sich derart zu, dass eine direkte militärische Auseinandersetzung einschließlich des Einsatzes von Kernwaffen nicht ausgeschlossen werden konnte. Nach intensiven Bemühungen zur Beilegung des Konfliktes auf verschiedenen Ebenen erklärte sich N. S. Chruschtschow am 28. 10. 1962 zum Abbau der Abschussbasen und der Raketen bereit. Mit einem gemeinsamen Schreiben der USA und der UdSSR an den Generalsekretär. der UNO wurde Anfang Januar 1963 der offizielle Schlussstrich gezogen. Als Reaktion auf die während der Kubakrise gewonnenen Erfahrungen begannen die beiden Supermächte mit einer Verbesserung des Krisenmanagements (Einrichtung des »heißen Drahts«) und ersten konkreten Schritten in Richtung Entspannung und Rüstungskontrolle. (Teststoppabkommen)
 
Literatur:
 
R. L. Garthoff: Reflections on the Cuban missile crisis (Washington, D. C., 1987);
 
The Cuban missile crisis revisited, hg. v. J. A. Nathan (New York 1992).

Universal-Lexikon. 2012.