Farbensehen,
Nach der Theorie von T. Young und H. von Helmholtz besitzt das menschliche Auge drei verschiedene Rezeptoren, die jeweils auf einen spektralen Wellenlängenbereich (Blau, Grün, Rot) reagieren (Trichromasie); die übrigen Farbreizqualitäten entstehen dieser Theorie zufolge durch additive Mischung dieser Farbreize (Dreikomponententheorie).
II
Farbensehen,
Farbensinn, Physiologie: die beim Menschen, den Wirbeltieren und bei vielen Wirbellosen vorhandene Fähigkeit, mit ihrem Sehapparat Farben unabhängig von ihren Helligkeitswerten zu unterscheiden. Beim Menschen entsteht (abgesehen von Ausnahmefällen wie mechanische oder elektrische Reizung des Auges, Farbensehen im Traum, Nachbilder) der Farbeindruck durch Erregung der Sinneszellen in der Netzhaut des Auges durch die einfallende Strahlung aus dem sichtbaren Spektralbereich (etwa zwischen 380 und 750 nm); in diesem Bereich kann der Mensch etwa 7 Mio. Farbvalenzen unterscheiden.
Eine Farbempfindung oder -wahrnehmung kommt nur zustande, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind: 1) Der Reiz muss eine Mindestintensität besitzen; unterhalb dieser Schwelle (Farbschwelle) gibt es nur farblose Helligkeitsempfindung (Dämmerungssehen). 2) Der zur Farbempfindung führende Lichtreiz muss eine Mindestzeit andauern (Farbenzeitschwelle). 3) Das auf die Netzhaut fallende Licht muss zur Reizauslösung eine bestimmte Netzhautfläche treffen (Farbenfeldschwelle). Die verschiedenen Farbempfindungen können durch Mischung der drei Grundfarben Rot, Grün und Blauviolett hervorgerufen werden. Ist für alle drei Grundfarben ein bestimmtes Mischungsverhältnis gegeben, wird Weiß empfunden.
Das Zustandekommen der Farbwahrnehmung ist bis heute noch nicht bis in alle Einzelheiten geklärt. T. Young stellte 1801 die Hypothese auf, dass das Auge drei verschiedene Typen von Rezeptoren besitzt, von denen jeder auf eine der drei Grundfarben Blauviolett, Grün und Rot reagiert (Trichromasie), und dass die übrigen Farbqualitäten durch additive Mischung unterschiedlicher Grundfarben erzeugt werden. Diese Hypothese wurde von H. von Helmholtz zur Dreikomponententheorie (Dreifarbentheorie, Young-Helmholtz-Theorie) ausgebaut. Danach werden drei verschiedene Zapfentypen postuliert, die als unabhängige Empfängersysteme (Rezeptoren) arbeiten, deren Signale jedoch gemeinsam in einem neuronalen Helligkeitssystem und einem neuronalen Farbensystem verarbeitet werden. Für diese Theorie spricht u. a. der Befund, dass an der unteren Empfindlichkeitsgrenze für Farbensehen nur die Farbtöne Rot, Grün und Blau unterschieden werden können. Die Gegenfarbentheorie (Vierfarbentheorie) von K. E. Hering fordert zwei antagonistische physiologische Systeme, die auf vier Urfarben (Rot, Gelb, Blau, Grün) aufbauen: ein Grün-Rot-System und ein Gelb-Blau-System. Entsprechende neuronale Mechanismen sorgen dafür, dass, wenn z. B. Gelb eine Erregung an den farbspezifischen Neuronen auslöst, Blau (als Komplementärfarbe) diese Neuronen hemmen müsste. Tatsächlich hat man u. a. entsprechende Hyper- und Depolarisierungen von Rot-Grün- oder Gelb-Blau-Horizontalzellen bei Wirbeltieren experimentell nachgewiesen. Für die unbunten Farben (die gesamte Skala zwischen Schwarz und Weiß) wird ein drittes antagonistisches Schwarz-Weiß-System postuliert. Aufgrund der Ergebnisse vieler neurophysiologischer und sinnespsychologischer Versuche werden mittlerweile die beiden Theorien als sich ergänzende theoretische Deutungen des Farbensehens angesehen, wobei die Dreikomponententheorie auf die Rezeptoren (Zapfen) in der Netzhaut und die Gegenfarbentheorie auf die nachgeschalteten Neuronensysteme angewandt wird.
Bei tagaktiven Säugetieren entspricht der mit dem Auge wahrnehmbare Spektralbereich etwa dem des Menschen. Bei manchen Vögeln ist er zu Rot hin verschoben, für andere (z. B. Kolibri) liegt Ultraviolett, wie auch für manche Fische, im sichtbaren Bereich. Grundlage des Farbensehens bei wirbellosen Tieren sind wohl gleiche Sehfarbstoffe. Außer bei verschiedenen Insekten ist Farbensehen auch bei Krebsen und Tintenfischen nachgewiesen. Die Facettenaugen (Auge) der Bienen enthalten, ähnlich dem Auge des Menschen, drei Zelltypen mit verschiedenen Sehpigmenten (Rhodopsinen) unterschiedlicher Farbempfindlichkeit (Maxima bei 340, 430 und 530 nm). Sie sind damit fähig, auch Blüten mit Lichtreflexion im ultravioletten Bereich »farbig« zu sehen und so Blüten nach Farbunterschieden zwischen 300 und 600 nm zu unterscheiden. Andere Insekten (z. B. Schmetterlinge) vermögen auch längerwellige Farben (im Rotbereich) zu sehen.
Sehen, bearb. v. G. Baumgartner u. a. (1978);
H. Penzlin: Lb. der Tierphysiologie (31981).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Sehfehler und Erregung der Photorezeptoren
Farbensehen beim Menschen
Universal-Lexikon. 2012.