documẹnta
[lateinisch, Plural von documentum »Dokument«], Ausstellung internationaler moderner Kunst, die seit 1955 in Abständen von 4 bis 5 Jahren in Kassel stattfindet und sich das Ziel setzt, die internationale Gegenwartskunst zu dokumentieren und zu interpretieren.
Die documenta wurde 1955 von dem Kasseler Maler und Akademieprofessor Arnold Bode ins Leben gerufen. Dieser entwickelte in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistoriker Werner Haftmann ein Ausstellungskonzept, das sich die Rehabilitation der von den Nationalsozialisten verfemten Kunst zum Ziel setzte. Der Erfolg dieser noch von einem privaten Verein getragenen ersten documenta war so umfassend, dass man sich zu einer Fortsetzung des Projekts entschloss. So organisierte das Duo Bode/Haftmann noch die beiden folgenden Ausstellungen der Jahre 1959 und 1964, ehe die Ausstellungsleitung dann in die Hände wechselnder Ausstellungsleiter und Ausstellungsleiterinnen gelegt wurde.
Nachdem die documenta 1 sich noch auf die eigens hierfür neu ausgestaltete Ruine des Fridericianums beschränkt hatte, traten bereits bei der documenta 2 mit der Orangerie und dem Palais Bellevue zwei neue Schauplätze hinzu. Mittlerweile bezieht die Ausstellung die angrenzenden Parkanlagen sowie die gesamte Kasseler Innenstadt mit ein.
Die documenta avancierte schon früh zu einer der weltweit bedeutendsten Ausstellungen moderner und zeitgenössischer Kunst. So ernannte bereits 1964 das amerikanische Nachrichtenmagazin »Time« die documenta 3 zur »wichtigsten europäischen Kunstausstellung des Jahrzehnts«. Heute ist die documenta längst zu einem Synonym für die aktuelle Kunstszene und die mit ihr verbundenen und häufig polarisierenden Diskussionen geworden.
Die einzelnen Ausstellungen
documenta 1 (1955)
Leitung: Arnold Bode, Werner Haftmann; Besucher: 130 000. Die documenta 1 setzte sich die Rehabilitierung der von den Nationalsozialisten diskreditierten und verbotenen Strömungen der Vorkriegskunst zum Ziel. Daneben sollte das Kunstschaffen der noch jungen Bundesrepublik in den Zusammenhang internationaler Tendenzen eingeordnet werden.
documenta 2 (1959)
Leitung: Arnold Bode, Werner Haftmann; Besucher: 137 000. In den inhaltlichen Mittelpunkt der unter dem Ausstellungsmotto »Kunst nach 1945 - Malerei - Skulptur - Druckgraphik« stehenden documenta 2 rückte die Kunst der Nachkriegszeit, die vor allem durch Vertreter der abstrakten Malerei und Plastik repräsentiert war.
documenta 3 (1964)
Leitung: Arnold Bode, Werner Haftmann; Besucher: 200 000. Die von Bode als ein »Museum der 100 Tage« titulierte documenta 3 kehrte mit ihrer retrospektiven Grundhaltung noch einmal zum Ausgangspunkt der Kasseler Ausstellungsreihe zurück. Dies kam insbesondere in der von Haftmann zusammengestellten Abteilung der Handzeichnungen zum Ausdruck, die die Entwicklung dieser Gattung in den vergangenen 80 Jahren illustrierte. Bemerkenswert scheint noch, dass die documenta 3 erstmals einem Künstler die Chance zur Ausstellung seiner Werke bot, der fortan untrennbar mit der documenta verbunden sein sollte: Joseph Beuys.
documenta 4 (1968)
Leitung: Arnold Bode, 23 Mitglieder umfassender Rat; Besucher: 220 000. Die bislang wohl populärste, jedoch auch turbulenteste documenta war bereits im Vorfeld von teilweise erbittert geführten Diskussionen um das Ausstellungskonzept und die weitere Zukunft der Werkschau begleitet gewesen. Den künstlerischen Schwerpunkt der documenta 4 bildeten die aktuellen Strömungen der nordamerikanischen Kunst, die durch die Vertreter der Pop-Art, der Minimal Art, der Farbfeldmalerei sowie des Fotorealismus repräsentiert wurden.
documenta 5 (1972)
Leitung: Harald Szeemann; Besucher: 230 000. Die documenta 5 markiert den bislang bedeutendsten Einschnitt in die Geschichte der Kasseler Ausstellung. So definierte der künstlerische Leiter Kunst primär als Ausdruck sozialer Phänomene. Das daraus resultierende Konzept »Befragung der Realität - Bildwelten heute« bezog auch Grenzbereiche künstlerischen Schaffens wie die Werbung, die politische Propaganda, Science-Fiction, die Kunst Geisteskranker und sogar die Trivialkunst bis hin zum Kitsch in die Ausstellung mit ein.
documenta 6 (1977)
Leitung: Manfred Schneckenburger; Besucher: 350 000. Den Schwerpunkt der documenta 6 bildeten die »neuen« künstlerischen Ausdrucksformen der Performance, des Environments, der Videokunst sowie der Fotografie. Die erstmalige Präsentation von Kunst der DDR führte zu teilweise heftigen Kontroversen.
documenta 7 (1982)
Leitung: Rudi Fuchs; Besucher: 380 000. Rudi Fuchs verfolgte das Ziel, die documenta 7 vom Korsett theoretischer Vorgaben zu befreien und lenkte so das Augenmerk auf das einzelne Exponat. Zu den herausragendsten und prominentesten Arbeiten zählten die vor dem Fridericianum gelagerten 7 000 Basaltsteine von Joseph Beuys, die jeweils neben einer neu zu pflanzenden Eiche ihren endgültigen Standort finden sollten.
documenta 8 (1987)
Leitung: Manfred Schneckenburger; Besucher: 486 811. Die documenta 8 sollte nach dem Willen ihres künstlerischen Leiters wieder zum Konzept einer die Gesellschaft reflektierenden Kunst zurückkehren. Hierbei erweiterte Schneckenburger den Kunstbegriff auch auf seine angewandten Formen wie Architektur und Gebrauchsdesign.
documenta 9 (1992)
Leitung: Jan Hoet; Besucher: 609 235. Jan Hoet intendierte mit seinem Konzept einer »documenta der Orte« die Befreiung der Ausstellung von der Last eines erdrückenden theoretischen Überbaus. Doch gerade die Variationsbreite der nunmehr in den Mittelpunkt rückenden Einzelwerke brachte dem Belgier von vielen Seiten den Vorwurf konzeptioneller Beliebigkeit ein.
documenta X (1997)
Leitung: Catherine David; Besucher: 630 000. Die documenta X war in hohem Maße durch das enge theoretische Korsett geprägt, das die Ausstellungsleiterin der letzten Kasseler Werkschau des 20. Jahrhunderts anlegte. Die Intention der Schaffung einer »manifestation culturelle«, die die Kunst primär als Ausdruck ihres sozialen und politischen Umfeldes begreift, führte zu einer klaren Schwerpunktsetzung auf eine eher konzeptuell ausgerichtete Kunst. Dass sich die Exponate dadurch häufig der ästhetisch-sinnlichen Wahrnehmung des Betrachters entzogen, wurde zu einem der Hauptkritikpunkte am Konzept der Französin.
Documenta11 (2002)
Leitung: Okwui Enwezor. Die Documenta11 findet vom 8. Juni bis zum 15. September 2002 statt. Zum künstlerischen Leiter der Ausstellung berief der Aufsichtsrat am 26. 11. 1998 den Nigerianer Okwui Enwezor, der als sein Konzept die Schaffung »diskursiver Orte« vorstellte, das neben Kassel auch Wien, Lagos, Neu-Delhi sowie die Westindischen Inseln als weitere Ausstellungszentren einfließen lässt.
Universal-Lexikon. 2012.