Brạndenburg an der Havel
[-fɛl], kreisfreie Stadt in Brandenburg, beiderseits der unteren Havel, mit dem lang gestreckten Beetzsee im Norden (der vollständig zum Stadtgebiet von Brandenburg an der Havel gehört) und dem Plauer See und Breitlingsee (beide von der Havel durchflossen) im Südwesten, 32 m über dem Meeresspiegel, 208 km2, 79 000 Einwohner; Fachhochschule Brandenburg; Oberlandesgericht, Theater sowie Stadt- und Dommuseum und Stadt- und Domstiftsarchiv und mehrere Galerien. Seit 1995 befindet sich bei Brandenburg an der Havel ein SOS-Kinderdorf. Durch den Wandel der Wirtschaftsstruktur wurden seit 1990 viele Industriebetriebe stillgelegt, darunter das Walzwerk in Kirchmöser. Bedeutung haben Stahl-, Druckmaschinenwerk, Zahnradfertigung, Kammgarnspinnerei, Bauwirtschaft, Gießereien, Kunststoffverarbeitung und Nahrungsmittelindustrie. Die Stadt ist ein Eisenbahn- und Straßenknotenpunkt und hat einen Hafen am Elbe-Havel-Kanal (große Schifffahrtsschleuse).
Der Dom (1165 begonnen, verändert im 15. Jahrhundert, 1962-66 restauriert), ursprünglich eine romanische Pfeilerbasilika, wurde zu einem gotischen Gewölbebau umgestaltet. Zwischen der Dominsel und dem Marienberg liegt die Altstadt mit dem Altstädtischen Rathaus (1470-80; davor die 5,34 m hohe Statue des Roland, 1474), dem spätgotischen Ordonnanzhaus, der Gotthardtkirche (vom romanischen Vorgängerbau aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts der Westbau mit Mittelturm erhalten, daran anschließende Hallenkirche aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts) und der Nikolaikirche (1170-1250), auf dem Südufer die Neustadt mit der Katharinenkirche (um 1400 von H. Brunsberg). Zerstört wurden u. a. das Neustädtische Rathaus und das Kurfürstenhaus. Als Ruinen erhalten sind die frühgotische Johannis- und die Paulikirche (beide spätes 13. Jahrhundert). Das Paulikloster wird als Stätte für vielfältige Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt. Von den Stadtbefestigungen stehen noch der Plauer und der Rathenower Torturm in der Altstadt sowie der Stein- und der Mühlentorturm in der Neustadt.
Die Brendanburg, Hauptburg der slawischen Heveller, wurde 928-929 von König Heinrich I. erobert. Nach dem Slawenaufstand von 983 wurde sie wieder slawischer Fürstensitz, das 948 von Otto I., der Große, errichtete Bistum zerstört. Der christlicher Hevellerfürst Pribislav-Heinrich (✝ 1150) setzte Markgraf Albrecht den Bären zum Erben ein, der die Stadt 1157 endgültig in Besitz nahm und behauptete (Markgrafschaft Brandenburg [Mark]). Auf dem nördlichen Ufer der Havel war wohl in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine Siedlung entstanden (Parduin), aus der die Altstadt hervorging; westlich davon bestand eine Kaufmannssiedlung (um die Nikolaikirche). Noch in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurde von den brandenburgischen Markgrafen die Neustadt gegründet. Die Doppelstadt, die bis 1715 getrennte Magistrate besaß, wurde bald zum wichtigsten Ort der Mark (u. a. bis 1518 Mitglied der Hanse, bis 1598 Bistumssitz); ihre Form des Magdeburger Stadtrechts galt in den meisten Städten des Landes. Erst im 16. Jahrhundert wurde sie von Berlin überflügelt. - In Brandenburg an der Havel bestand eines der ersten nationalsozialistischen KZ (1933-34); das Zuchthaus Brandenburg-Görden (1933-45), auch eine berüchtigte Tötungs- und Hinrichtungstätte (Euthanasie), wurde am 27. 4. 1945 von sowjetischen Truppen befreit.
Universal-Lexikon. 2012.