Berufsfreiheit,
das Recht des Einzelnen, einen bestimmten Beruf frei zu wählen und auszuüben. Das GG der Bundesrepublik Deutschland hat den seit dem 19. Jahrhundert anerkannten Grundsatz der Gewerbefreiheit fortentwickelt und gewährleistet in Art. 12 Absatz 1 allen Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.
Nach der in der Rechtswissenschaft entwickelten Definition gelten als Beruf und verdienen den Schutz der Berufsfreiheit alle erlaubten menschlichen Betätigungen, die auf Dauer angelegt sind und der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienen, also jede erlaubte gewerbliche, freiberufliche oder arbeitsrechtlich unselbstständige Tätigkeit. Maßstab für das Erlaubtsein einer Tätigkeit ist nicht allein die reine Gesetzeslage, vielmehr sind es die in der Gesellschaft herrschenden fundamentalen Wertvorstellungen (kein Schutz durch die Berufsfreiheit also z. B. für Glücksspieler). Gleichgültig ist, ob die ausgeübte Tätigkeit einem herkömmlichen Berufsbild entspricht oder aufgrund individueller Neigungen oder zeitspezifischer Entwicklung Gestalt gewonnen hat (z. B. Straßenartist, Pharmareferent).
Verfassungsrechtlich problematisch ist die Reichweite der Unterscheidung von Berufswahl und Berufsausübung. Letztere steht unter dem Vorbehalt der Regelungskompetenz durch den Gesetzgeber; er kann sie deshalb einschränken. Gänzlich unerwähnt lässt das GG die Berufsaufnahme, deren Einordnung als letzter Akt der Berufswahl oder erster Akt der Berufsausübung umstritten ist. Das Bundesverfassungsgericht (»Apothekenurteil« vom 11. 6. 1958) hat in diesem Zusammenhang allgemein anerkannte Grundsätze (»Stufentheorie«) aufgestellt, aufgrund derer Eingriffe in die Berufsfreiheit erlaubt sind: Danach ist eine strikte Unterscheidung zwischen Berufswahl und -ausübung unzulässig, da auch bloße Ausübungsregeln die Wahl des Berufs beeinflussen. Der Gesetzgeber sei befugt, die Freiheit der Berufsausübung (1. Stufe) zu beschränken, soweit »vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies zweckmäßig erscheinen lassen« (z. B. bei den vielfältigen Regelungen des Gewerberechts). Bei der Berufswahl sei zwischen subjektiven und objektiven Zulassungsvoraussetzungen zu trennen. Subjektive Zulassungsvoraussetzungen (2. Stufe), also solche, die sich auf die vom Bewerber zu leistenden persönlichen Voraussetzungen beziehen (Qualifikation, z. B. durch berufliche Prüfungen, Alter), unterliegen dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit und sind erlaubt, wenn sie »zu dem angestrebten Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis stehen«. Objektive Zulassungsvoraussetzungen (3. Stufe), also solche, die der Bewerber nicht beeinflussen kann (z. B. ein öffentliches Bedürfnis an einer bestimmten - meist begrenzten - Zahl von Berufsausübenden), sind nur gerechtfertigt, um »nachweisbare oder höchstwahrscheinliche schwere Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut« (z. B. die Volksgesundheit) abzuwehren.
Einige Rechtswissenschaftler meinen eine Auflockerung dieser strengen Anforderungen in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugunsten stärkerer staatlichen Beschränkungen der Berufsfreiheit zu erkennen. - Die Berufsfreiheit streitet zugunsten aller Berufe, jedoch wirkt sich ihr Schutz bei staatlich gebundenen oder »verstaatlichten« Berufen weniger stark aus (z. B. Notare), die dem Gesetzgeber erweiterte Regelungsbefugnisse eröffnen. (öffentliche Ämter)
Die Freiheit vom Arbeitszwang und das Verbot der Zwangsarbeit (Art. 12 Absatz 1 und 3 GG) ist die Entsprechung zur Freiheit der Berufswahl und Berufsausübung, die jedoch wiederum durch Art. 12 a GG (Wehrdienst u. a. Dienstverpflichtungen) durchbrochen wird.
Das Staatsgrundgesetz Österreichs erlaubt jedem Staatsbürger, unter den gesetzlichen Bestimmungen jeden Erwerbszweig auszuüben (Art. 6 Absatz 1), es gestattet jedermann, seinen Beruf frei zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er will (Art. 18). Die Berufsfreiheit beschränkende gesetzliche Vorschriften sind daher nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nur zulässig, wenn sie dem öffentlichen Interesse dienen und nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips erforderlich sind.
Die schweizerische Bundesverfassung (Art. 31 ff.) gewährleistet »im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft« Handels- und Gewerbefreiheit unter den durch die Bundesverfassung und der auf ihr beruhenden Gesetzgebung vorgegebenen Schranken (z. B. zur Erhaltung wichtiger Wirtschaftszweige). Die Rechtsprechung des Bundesgerichts verwehrt den Kantonen, durch Beschränkungen der Berufsfreiheit wirtschaftspolitischer Zielsetzungen zu verfolgen.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Arbeitspflicht · Ausbildungsfreiheit · Bedürfnisprüfung · Befähigungsnachweis · Berufsverbot · Dienstverpflichtung · Gewerbefreiheit · Monopol · Notstandsverfassung · Numerus clausus · Zwangsarbeit
H. Marti: Die Wirtschaftsfreiheit der schweizer. Bundesverfassung (Basel 1976);
G. Hoffmann: B. als Grundrecht der Arbeit (1981);
A. Auer: Der Berufsbegriff des Art. 12, Abs. 1 GG (1991);
J. Lücke: Die B. (1994).
Universal-Lexikon. 2012.