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bedingter Reflex
I
bedingter Reflẹx,
 
eine gelernte, reflexartige Reaktion auf einen Reiz, der normalerweise diese Reaktion nicht auslöst (bedingter Reiz). Während beim unbedingten Reflex die Reaktion auf einen Reiz (z. B. Schließen der Augenlider, wenn ein Luftstrom auf die Augen geblasen wird = Lidschlussreflex) angeboren ist, ist der bedingte Reflex immer das Ergebnis einer klassischen Konditionierung: Wird zeitlich unmittelbar (0,2-5 s) vor dem unbedingten Reiz (Luftstrom) ein bisher neutraler Reiz (z. B. Ton) wiederholt vorangestellt, so kann dieser mit der Zeit auch in Abwesenheit des Luftstroms den Lidschluss auslösen. Der Ton wird somit zum bedingten Reiz, das Zwinkern stellt die bedingte Reaktion dar, und die Verknüpfung von beidem ist der bedingte Reflex.
 
Entdeckt wurde er von den russischen Physiologen I. P. Pawlow und W. M. Bechterew: Laborhunde sonderten nicht nur auf die Gabe von Futter (unbedingter Reiz) hin reflexhaft Speichel ab (unbedingter Reflex), sondern reagierten bald schon auf regelmäßig vorausgehende Geräusche (z. B. Klingelton = bedingter Reiz) mit (etwas schwächerem) Speichelfluss. Der bedingte Reflex wird verstärkt, wenn ihn der unbedingte Reiz begleitet, und es tritt Auslöschung (Extinktion) ein, wenn dies nicht zumindest gelegentlich der Fall ist. Wird einem bedingten Reiz mehrmals ein weiterer neutraler Reiz vorangestellt, kann der vorher neutrale Reiz nach erfolgreicher Konditionierung eine bedingte Reaktion auslösen, ohne jemals zeitlich mit ihr verbunden gewesen zu sein (bedingter Reflex zweiter Ordnung); ein entsprechendes Ergebnis erhält man, wenn ein bedingter Reiz wiederholt in zunächst noch neutraler Situation auftritt. Das Konstrukt des bedingten Reflexes liefert so einen Erklärungsansatz, warum (z. B. emotionale, vegetative) Reaktionen (bedingte Reaktion) in neuen Situationen (bedingter Reiz) auftreten und sich stabilisieren, ohne beabsichtigt zu sein, ohne belohnt zu werden oder durch eine Verknüpfung mit dem unbedingten Reiz und der unbedingten Reaktion verstärkt zu sein. Der bedingte Reflex ist bereits bei sehr einfachen Lebewesen beobachtbar (z. B. Regenwurm) und dient als eine Grundform des Lernens der Anpassung an die Umwelt. Der bedingte Reflex fand durch I. Watson als ein Grundbegriff Eingang in den Behaviorismus.
 
Literatur:
 
K. Foppa: Lernen, Gedächtnis, Verhalten (21966);
 
Psychologie des 20. Jh., Bd. 4: Pawlow u. die Folgen, hg. v. H. Zeier (Zürich 1977).
II
bedingter Reflex,
 
bedingte Reaktion, Konditionierung.

Universal-Lexikon. 2012.