Annahme als Kind,
Annahme an Kindes statt, Adoption, Entstehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses ohne Rücksicht auf natürliche Abstammung. Das Recht der Annahme als Kind wurde in der Bundesrepublik Deutschland durch das Adoptionsgesetz vom 2. 7. 1976 grundlegend reformiert; dadurch wurden die §§ 1741-1772 BGB zum 1. 1. 1977 neu gefasst. Das gleichzeitig erlassene Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind regelt die Adoptionsvermittlung, die allein den Jugendämtern und besonders zugelassenen freien Wohlfahrtsverbänden gestattet ist. Das Europäische Übereinkommen über die Adoption von Kindern wurde von der Bundesrepublik Deutschland 1980 ratifiziert. Die meisten der darin enthaltenen Bestimmungen sind im Adoptionsgesetz und im Adoptionsvermittlungsgesetz bereits enthalten.
Im Vordergrund der gesetzlichen Regelungen über die Annahme als Kind steht das Kindeswohl. Die Annahme als Kind soll primär ein Mittel der Fürsorge für elternlose oder verlassene Kinder anstelle der sonst drohenden Kollektiverziehung in Heimen sein. Dementsprechend wird zwischen der Annahme als Kind von Minderjährigen und Volljährigen unterschieden. Kinderlosigkeit wird bei den Annehmenden nicht mehr vorausgesetzt. Ein Ehepaar kann ein fremdes minderjähriges Kind grundsätzlich nur gemeinschaftlich annehmen. Wer nicht verheiratet ist, kann ein Kind ausschließlich allein annehmen; eine gemeinschaftliche Adoption durch ein unverheiratetes Paar ist unzulässig. Der Annehmende muss voll geschäftsfähig und mindestens 25 Jahre alt sein. Bei Ehepaaren genügt es, wenn ein Ehegatte das 25. Lebensjahr vollendet hat und der andere 21 Jahre alt ist. Die Annahme als Kind ist kein Vertrag mehr, sondern wird auf Antrag des Annehmenden durch das Vormundschaftsgericht verfügt (Dekretsystem), wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen Annehmendem und Anzunehmendem ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Für die Adoption ist die Einwilligung des Kindes (bis zu dessen 14. Lebensjahr die des gesetzlichen Vertreters) erforderlich. Weiter bedarf die Annahme der Einwilligung der leiblichen Eltern. Sie kann erst erteilt werden, wenn das Kind 8 Wochen alt ist; jedoch ist die Abgabe des Kindes zur Adoptionspflege schon gleich nach der Geburt möglich. Die Einwilligung der Eltern ist auch dann wirksam, wenn der Einwilligende den schon feststehenden Annehmenden nicht kennt (so bei der Inkognitoadoption). Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet und haben sie keine Sorgeerklärungen abgegeben, kann die Einwilligung des Vaters bereits vor der Geburt erteilt werden, es sei denn der Vater hat die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich beantragt. In diesem Fall darf eine Annahme als Kind erst ausgesprochen werden, nachdem über den Antrag des Vaters entschieden worden ist. Schon mit Abgabe der Einwilligung ruht die elterliche Sorge; das Recht zum persönlichen Umgang mit dem Kind darf nicht mehr ausgeübt werden. Das Kind soll voll in die Familie der Annehmenden integriert werden. Daher erhält es die Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Annehmenden. In der Regel erlischt die Verwandtschaft zur leiblichen Familie (Volladoption; Ausnahmen: Bei der Annahme von Verwandten erlischt nur das Verwandtschaftsverhältnis zu den Eltern des Kindes. Nimmt ein Ehegatte das Kind seines Ehegatten an, erlischt nur das Verwandtschaftsverhältnis zu dem anderen Elternteil und dessen Verwandten.). Diese Regelung wirkt sich auch im Erbrecht aus. Das Kind erhält den Familiennamen des Annehmenden als Geburtsnamen und gegebenenfalls dessen Staatsangehörigkeit. Die Aufhebung der Annahme als Kind ist nur unter engen Voraussetzungen möglich; sie wirkt nur für die Zukunft. Das frühere Verwandtschaftsverhältnis lebt dann wieder auf. In der Praxis führt die strenge behördliche Prüfung der Lebensverhältnisse der Adoptionswilligen oft zu langen Wartezeiten, durch die die Betroffenen das Kindeswohl häufig gefährdet sehen oder die sie veranlassen, ausländische Kinder anzunehmen.
Die Annahme als Kind von Volljährigen ist nur zulässig, wenn sie sittlich gerechtfertigt ist, z. B. wenn bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist. Im Gegensatz zur Adoption Minderjähriger erstrecken sich ihre Wirkungen grundsätzlich nicht auf die Verwandten des Annehmenden. Auch bleiben in der Regel die Rechte und Pflichten des Angenommenen aus dem Verwandtschaftsverhältnis zu seinen leiblichen Verwandten bestehen.
In der DDR gab es die Adoption eines Volljährigen nicht. Für die Annahme als Kind von Minderjährigen, die bis zum 2. 10. 1990 begründet wurden, gelten die Vorschriften des BGB mit im Art. 234 § 13 Einführungsgesetz zum BGB geregelten Ausnahmen.
In Österreich sind für die Annahme als Kind die durch das Adoptionsgesetz vom 17. 2. 1960 sowie erneut 1989 grundlegend geänderten Vorschriften der §§ 179-185 a ABGB maßgebend. Der Wahlvater muss mindestens 30 Jahre, die Wahlmutter 28 Jahre alt sein (Mindestaltersunterschied zum Wahlkind: 18 Jahre). Auch Österreich ratifizierte 1980 das Europäische Übereinkommen über die Adoption von Kindern. Die dort festgelegten Mindestanforderungen für die Annahme als Kind sind im österreichischen Recht bereits seit der Familienrechtsreform in den 1970er-Jahren verwirklicht.
In der Schweiz müssen die Annehmenden fünf Jahre verheiratet sein oder das 35. Altersjahr zurückgelegt haben. Bei der Stiefkindadoption wird eine Ehedauer von fünf Jahren verlangt (Art. 264 a ZGB).
A. Wittland-Mittag: Adoption u. Adoptionsvermittlung (1992);
Adoption, hg. v. R. A. C. Hoksbergen u. a. (1993);
Hb. für Pflege- u. Adoptiveltern, bearb. v. S. Huber-Nienhaus u. a. (41993).
Universal-Lexikon. 2012.