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Islamwissenschaft
Is|lam|wis|sen|schaft, die:
Wissenschaft vom Islam, von der muslimischen Welt.
Dazu:
Is|lam|wis|sen|schaft|ler, der;
Is|lam|wis|sen|schaft|le|rin, die.

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Islamwissenschaft,
 
Islamịstik, Zweig der Orientalistik, der sich mit der Erforschung des Islam als Religion, Kultur und Lebensform, seiner Geschichte und Literatur befasst. Die Islamwissenschaft hat sich in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts aus den orientalischen Philologien, besonders der Semitistik und Arabistik, entwickelt. Nachdem T. Nöldeke die Erforschung des Korans auf eine kritisch-analytische Grundlage gestellt und A. von Kremer die großen geistigen und kulturellen Strömungen im Islam herausgearbeitet hatten, begründeten v. a. die Arbeiten von vier Gelehrten die Islamwissenschaft: I. Goldziher, der die Bedeutung der islamischen Überlieferung (Hadith) als Niederschlag der religiösen Auseinandersetzungen während der drei ersten islamischen Jahrhunderte (7.-9. Jahrhundert n. Chr.) erkannte, C. Snouck-Hurgronje, der die Wechselwirkungen von Islam und Nationalität, Rechtsnorm und Rechtspraxis am Beispiel Südostasiens aufzeigte, J. Wellhausen, der die historischen Entwicklungen im Spannungsfeld kontroverser Überlieferungen für die Frühzeit quellenkritisch untersuchte, und C. H. Becker, der Erscheinungsformen des Islam als religions- und kulturhistorische Probleme darlegte.
 
Seither hat die Islamwissenschaft international vielfältige Ausweitung und Vertiefung erfahren; sie ist nach wie vor mit den orientalischen Philologien, besonders der Arabistik, Iranistik und Turkologie, eng verbunden. Ein Hauptverdienst islamwissenschaftlicher Forschung sind wissenschaftlich kommentierte Koranübersetzungen in die wichtigsten Sprachen Westeuropas. Die Erforschung des Lebens von Mohammed einschließlich des Hadith führte zur Entstehung von Standardwerken. In diesem Zusammenhang wird in jüngster Zeit intensiv die Frage mündlicher und schriftlicher Überlieferung erörtert, wobei die Anfänge der islamischen Theologie und des islamischen Rechts in neuem Licht erscheinen. Zur profanen Geschichte des Islam sind Darstellungen einzelner Epochen und (durch Zusammenarbeit mehrerer Autoren) allgemeine Übersichten entstanden. Im Bereich der Naturwissenschaften wurde die Mittlerfunktion islamischer Gelehrter zwischen Antike und christlichem Abendland erkannt. Die islamische Kunstgeschichte hat sich in jüngerer Zeit zu einer eigenen Disziplin entwickelt; eine entsprechende archäologische Forschung befindet sich noch in den Anfängen. In jüngster Zeit verstärkt sich das Interesse an Fragen und Problemen, die durch den Islam der Gegenwart aufgeworfen werden. - An Universitäten, an denen die orientalischen Philologien vertreten sind, kann in Verbindung mit diesen auch, entsprechend den gegebenen Möglichkeiten, Islamwissenschaft studiert werden.
 
Literatur:
 
U. Monneret De Villard: Lo studio dell'Islam in Europa nel XII et nel XIII secolo (Rom 1944, Nachdr. 1972);
 J. Fück: Die arab. Studien in Europa bis in den Anfang des 20. Jh. (Leipzig 1955);
 J.-J. Waardenburg: L'Islam dans le miroir de l'occident (Paris 31969);
 E. Rudolph: Westl. I. im Spiegel muslim. Kritik (1991).
 
Weitere Literatur: Orientalistik.

Universal-Lexikon. 2012.