Not|ver|ord|nung 〈f. 20〉 aufgrund bes. Vollmachten in der Weimarer Verfassung vom Reichspräsidenten ohne Zustimmung des Reichstags erlassene Verordnung
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Not|ver|ord|nung, die (Verfassungsw.):
zur Überwindung eines Notstands [von der Regierung] erlassene Verordnung.
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Notverordnung,
gesetzesvertretende Verordnung, die im Notstandsfall aufgrund verfassungsrechtlicher oder gesetzlicher Ermächtigung von der Exekutive erlassen wird. Sie steht nach ihrer Geltungskraft den Gesetzen gleich und kann bestehende Gesetze ändern oder aufheben. Im konstitutionellen Verfassungssystem des 19. Jahrhunderts war der König zum Erlass von Notverordnungen berechtigt, wenn das Parlament nicht versammelt war und deshalb keine Gesetze beschließen konnte. Sie mussten diesem aber alsbald zur Genehmigung vorgelegt werden (Art. 63 der Preußischen Verfassung von 1850). Ein Notverordnungsrecht besaßen auch die Militärbefehlshaber, wenn der Belagerungszustand verhängt war (so im Ersten Weltkrieg). In der Weimarer Republik wurden als Notverordnungen besonders diejenigen VO bezeichnet, die der Reichspräsident aufgrund seiner Diktaturbefugnisse nach Art. 48 Absatz 2 der Weimarer Reichsverfassung erlassen konnte, »wenn im Deutschen Reich die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erheblich gestört oder gefährdet« war. Danach durften Grundrechte ganz oder zum Teil außer Kraft gesetzt werden. Die VO waren dem Reichstag unverzüglich zur Kenntnis zu bringen und auf sein Verlangen außer Kraft zu setzen. Zahlreiche Notverordnungen ergingen in den Jahren 1919-23 und 1930-33. Sie dienten zunächst dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, dann auch der Überwindung von Wirtschaftskrisen. In der Endphase der demokratisch verfassten Weimarer Republik wurde die Rechtsetzung durch Notverordnungen zu einem Instrument autoritärer Präsidialdemokratie und damit begründet, dass der zur Gesetzgebung zuständige Reichstag mangels entscheidungsfähiger Mehrheiten nicht handlungsfähig war. - Notverordnungen auf der Grundlage von Ermächtigungsgesetzen ergingen 1923/24. - Auch im Fall des Notstands kennt das GG kein Notverordnungsrecht, sondern nur ein vereinfachtes Gesetzgebungsverfahren (Art. 115 d GG). Bei Regierungs-Krisen, in denen sich die Bundesregierung nicht mehr auf eine parlamentarische Mehrheit stützen kann, kommt schließlich das Verfahren des Gesetzgebungsnotstandes in Betracht.
Das in Österreich dem Bundespräsidenten eingeräumte Notverordnungsrecht, dem für den Landesbereich ein solches der Landesregierung entspricht (Art. 18 Absatz 3-5, Art. 97 Absatz 3 und 4 B-VG), wurde wegen des Missbrauchs des Verordnungsrechts des kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes 1917, das 1934 sogar als formelle Grundlage einer neuen Verfassung diente, absichtlich so kompliziert gestaltet, dass bislang kein Gebrauch davon gemacht wurde. Der Schweizer Bundesrat kann, gestützt auf die polizeiliche Generalklausel und im Rahmen von Art. 102 Ziffer 10 Bundesverfassung, zur Wahrung der inneren Sicherheit, polizeiliche Notverordnungen erlassen.
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Not|ver|ord|nung, die (Verfassungsw.): zur Überwindung eines Notstands [von der Regierung] erlassene Verordnung: Er ermächtigte den Reichspräsidenten, zeitweilig den normalen Weg der Gesetzgebung über das Parlament durch den Erlass von -en zu ersetzen (Fraenkel, Staat 81).
Universal-Lexikon. 2012.