Widerstand in Deutschland
In den Augen der großen Mehrheit der Deutschen hatte die Außenpolitik Hitlers in den Jahren 1933 bis 1938 ungeahnte Erfolge gebracht. Nach dem »Anschluss« Österreichs war Hitlers Popularität auf dem vorläufigen Höhepunkt angelangt. Gegen seine Pläne zur »Zerschlagung« der Tschechoslowakei hatte es jedoch Widerspruch gegeben; eine Gruppe aus Diplomaten und Militärs um Generalstabschef Ludwig Beck (1880- 1944) war entschlossen, Hitler entgegenzutreten, wenn er einen Krieg riskierte. Doch nach dem Münchener Abkommen musste Beck zurücktreten und wurde aus der Wehrmacht entlassen.
Die »Blitzsiege« Hitlers lähmten die Opposition in Deutschland, die im Gegensatz zu den Widerstandsbewegungen in den besetzten Ländern kaum an das Nationalgefühl ihrer Landsleute appellieren konnte. Das Sprengstoffattentat Georg Elsers auf Hitler am 8. November 1939 scheiterte nur knapp. Die Opposition von Sozialdemokraten und Kommunisten war in den Dreißigerjahren durch brutalen Terror und Verbote ausgeschaltet worden. Die Anführer der Arbeiterbewegung waren ermordet oder in Konzentrationslagern festgesetzt worden. Der Widerstand entwickelte sich daher im Wesentlichen aus bürgerlichen Kreisen, aus kirchlichen Gruppen oder aber in den Reihen der Militärs.
Eine Gruppe von Studenten um die Geschwister Hans und Sophie Scholl, die »Weiße Rose«, die in der Münchener Universität mit Flugblättern gegen das Unrechtsregime protestierte, musste ihr mutiges Aufbegehren mit dem Leben bezahlen (Februar 1943). Bis 1942 konnte die »Rote Kapelle«, die deutsche Spionageorganisation eines Systems von zumeist kommunistischen Widerstandsgruppen in den besetzten Ländern Europas, Nachrichten an die Sowjetunion übermitteln. Den jugendlichen »Edelweißpiraten« an Rhein und Ruhr gelangen 1943/44 einige Anschläge auf Einrichtungen der NSDAP.
Seit 1943 hatte sich der »Kreisauer Kreis« für gewaltsamen Widerstand ausgesprochen. Die Gruppe um H. J. Graf von Moltke (1907-45) versammelte sich seit dem Sommer 1940 auf seinem Gut Kreisau in Schlesien und strebte eine konservative Neuordnung Deutschlands auf christlicher Grundlage an. Ihr gehörten auch Sozialdemokraten wie Julius Leber (1891-1945) sowie Geistliche der evangelischen Bekennenden Kirche an, die sich seit 1938 zunehmend mit den Machthabern arrangieren musste; Pastor Martin Niemöller (1892-1984) war bereits 1937 verhaftet worden und saß bis Kriegsende im Konzentrationslager. Die Führung der katholischen Kirche betrieb seit dem Abschluss des Reichskonkordats von 1933 eine Politik der defensiven Selbstbewahrung.
Die militärische Opposition, die nun auch Kontakte zum »Kreisauer Kreis« hatte, war zum Handeln entschlossen. Attentatspläne kamen nicht zur Ausführung oder scheiterten. Als Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg am 20. Juli 1944 in Hitlers Hauptquartier (»Wolfsschanze«) in Ostpreußen eine Bombe zündete, die Hitler töten und den Staatsstreich auslösen sollte, misslang der Anschlag, und der Diktator kam mit leichten Verletzungen davon.
Es folgte eine gnadenlose Menschenjagd. Über 200 Männer und Frauen aus dem engeren Widerstandskreis wurden nach Schauprozessen vor dem Volksgerichtshof hingerichtet, darunter Carl Friedrich Goerdeler (1884-1945), der 1937 als Leipziger Oberbürgermeister zurückgetreten und als Reichskanzler nach dem erfolgreichen Putsch vorgesehen war, sowie der ehemalige Generaloberst Beck, der Staatsoberhaupt werden sollte. Die Anzahl der Verhafteten wird auf 7000 geschätzt; rund 5000 von ihnen wurden, teilweise noch kurz vor Kriegsende, ermordet.
Universal-Lexikon. 2012.