Glos|se|ma|tik 〈f.; -; unz.; Sprachw.〉 von dem dänischen Linguistenkreis (L. Hjelmslev u. a.) entwickelte strukturalistische Sprachtheorie [zu grch. glossa „Zunge, Sprache“]
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Glossematik
die, -, Sprachwissenschaft: von L. Hjelmslev u. a. begründete linguistische Richtung des Strukturalismus, die, ausgehend von der Konzeption von Sprache als einem mathematischen und autonomen System, eine universelle formale Grammatik zu erarbeiten versuchte; dem liegt die Hypothese zugrunde, dass Sprache und die möglichen Kombinationen sprachlicher Elemente - ausgehend von einer begrenzten Anzahl von Axiomen - analysiert werden können. Hjelmslev unterscheidet Ausdrucks- und Inhaltsebene der Sprache und setzt für beide eine parallele Struktur voraus. Die Ausdrucksebene gliedert sich in »Ausdruckssubstanz« (phonetische Merkmale) und »Ausdrucksform« (die in verschiedenen Sprachen jeweils unterschiedliche Vorstellung vom phonetischen Material, die sich in phonologischen Merkmalen ausdrückt, z. B. »stimmhaft«). Die Inhaltsebene ist entsprechend in Inhaltssubstanz (außersprachliche Realität) und Inhaltsform (die in verschiedenen Sprachen jeweils unterschiedliche Vorstellung von der außersprachlichen Realität, die sich in semantischen Merkmalen ausdrückt, z. B. »menschlich«, »konkret«) gegliedert. Das Glossem gilt als Oberbegriff für Keneme (kleinste Einheit auf der Ausdrucksebene; sie entsprechen den phonologischen Merkmalen) und Plereme (kleinste Einheit auf der Inhaltsebene; sie entsprechen den semantischen Merkmalen). Ausdrucks- und Inhaltsebene stehen entweder im Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit (»Interdependenz«), einseitiger Abhängigkeit (»Determination«) oder freier Abhängigkeit (»Konstellation«).
Ziel der glossematischen Sprachtheorie war die Darstellung dieser strukturellen Beziehungen; sie hatte damit maßgeblichen Einfluss auf die systematische formale Sprachbeschreibung. - Die Glossematik wurde als eine Fortsetzung der strukturalistischen Theorie F. de Saussures entwickelt und zeigt - besonders in der Auffassung von Sprache als deduktiv-mathematische Modell - Einflüsse der neopositivistischen Wiener Schule (R. Carnap, B. Russell, A. Whitehead). Obwohl Hjelmslev 1931 Mitbegründer der so genannten Kopenhagener Schule war, ist die Glossematik nicht innerhalb dieser Vereinigung von Linguisten entstanden.
B. Siertsema: A study of glossematics. Critical survey of its fundamental concepts (Den Haag 21964);
K. Togeby: La glossématique (Paris 1970).
Weitere Literatur: Hjelmslev, Louis.
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Glos|se|ma|tik, die; - [engl. glossematics] (Sprachw.): Richtung des Strukturalismus (der Kopenhagener Schule), die unter Einbeziehung formallogischer u. wissenschaftsmethodologischer Prinzipien die Ausdrucks- u. Inhaltsseite der Sprache untersucht.
Universal-Lexikon. 2012.