◆ Dis|zi|pli|nar|ver|fah|ren 〈n. 14〉 Verfahren über ein Disziplinarvergehen; Sy Dienststrafverfahren
◆ Die Buchstabenfolge dis|zi|pl... kann in Fremdwörtern auch dis|zip|l... getrennt werden.
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Di|s|zi|p|li|nar|ver|fah|ren, das:
Verfahren zur Aufklärung u. Ahndung dienstlicher Vergehen von Beamten.
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Disziplinarverfahren,
Teil des formellen Disziplinarrechts, dient der Aufklärung und nötigenfalls der Ahndung von Dienstvergehen; es ist weitgehend den Regeln des Strafverfahrens nachgebildet.
Das Disziplinarverfahren gegen Beamte
Das Disziplinarverfahren ist für Bundesbeamte in der Bundesdisziplinarordnung (BDO), für Landesbeamte in den inhaltlich wesensgleichen Disziplinar- beziehungsweise Dienststrafordnungen der Länder ausgeformt. Es umfasst ein Vorermittlungsverfahren (§§ 26 ff. BDO) und ein förmliches Disziplinarverfahren (§§ 33 ff. BDO). Wenn Tatsachen bekannt werden, die den Verdacht eines Dienstvergehens (Disziplinarrecht) rechtfertigen, veranlasst der Dienstvorgesetzte die zur Aufklärung erforderlichen Vorermittlungen, die sich neben belastende auch auf entlastende Umstände erstrecken (§ 26 BDO).
Dem betroffenen Beamten ist, soweit das Ermittlungsergebnis hierdurch nicht gefährdet wird, Gelegenheit zu geben, sich zu äußern. Führen die Ermittlungen nicht zu einer Einstellung des Verfahrens, kann der Dienstvorgesetzte in leichteren Fällen durch Disziplinarverfügung Verweis erteilen oder Geldbuße verhängen (Begründungspflicht). Hiergegen kann der Beamte binnen zweier Wochen Beschwerde einlegen, gegen deren Zurückweisung innerhalb eines Monats das Disziplinargericht angerufen werden kann. Auf schwere Disziplinarmaßnahmen kann nur im förmlichen Verfahren von den Disziplinargerichten erkannt werden. Dieses wird durch die Einleitungsbehörde (§ 35 BDO) unter Zustellung der Verfügung an den Beamten und den Bundesdisziplinaranwalt ausgelöst, wenn Verweis oder Geldbuße unangemessen sind, oder es findet auf Antrag eines Betroffenen statt. Das förmliche Disziplinarverfahren beginnt in der Regel mit einer Voruntersuchung durch einen von der Einleitungsbehörde bestellten Beamten oder Richter und kann von einer vorläufigen Dienstenthebung nach §§ 91 ff. BDO begleitet sein. Wird das Verfahren nicht eingestellt, so wird es beim Disziplinargericht anhängig, sobald eine Anschuldigungsschrift eingegangen ist. Zuständig sind im Bund das Bundesdisziplinargericht, in den Ländern die Disziplinarkammern bei den Verwaltungsgerichten. Das gerichtliche Verfahren endet mit einem Urteil, das auf eine Disziplinarmaßnahme, Freispruch oder Einstellung des Verfahrens lautet. Beschwerde- und Berufungsinstanz sind im Bund das Bundesverwaltungsgericht, in den Ländern die Disziplinarsenate bei den Oberverwaltungsgerichten (Verwaltungsgerichtshöfe).
In Österreich ist das Disziplinarverfahren für Bundesbeamte als Teil des Disziplinarrechts im Beamtendienstrechtsgesetz von 1979 (§§ 105 ff.) integriert. Parteien des Disziplinarverfahrens sind der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt. Der zur Dienstaufsicht berufene Dienstvorgesetzte hat bei jedem begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung die erforderlichen Erhebungen durchzuführen und dann der Dienstbehörde Anzeige zu erstatten, es sei denn, dass nur eine Belehrung oder Ermahnung erfolgen muss. Im Falle des Verdachts einer strafbaren Handlung ist die Dienstbehörde sofort zu unterrichten. Jeder Beamte hat zudem das Recht, schriftlich ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst zu beantragen. Aufgrund der Disziplinaranzeige hat die Dienstbehörde eine Disziplinarverfügung zu erlassen oder die Anzeige an die Disziplinarkommission und den Disziplinaranwalt weiterzuleiten. Die bei den obersten Dienstbehörden eingerichteten Disziplinarkommissionen entscheiden über den Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung. Das Verfahren entspricht den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts. Die Dienstpragmatiken der Länder enthalten ähnliche Regelungen.
In der Schweiz ist das Disziplinarverfahren entsprechend dem föderalistischen Staatsaufbau auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene verschieden ausgestaltet, doch ergeben sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes bestimmte rechtsstaatlichen Minimalanforderungen an ein korrektes Verfahren aufgrund der überall geltenden Bundesverfassung. Dies trifft insbesondere für den Anspruch des betroffenen Beamten auf rechtliches Gehör zu. Sinngemäß sind diese Minimalgarantien auch bei Disziplinarverfahren verbindlich, die nach den Vorschriften des Militärstrafgesetzes eingeleitet werden.
Bei Disziplinarverfahren, die gegen Bundesbeamte eröffnet werden, können drei Phasen auseinander gehalten werden: die Disziplinaruntersuchung, das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren gegen eine allfällige Disziplinarverfügung sowie das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren, das in gewissen gravierenden Fällen den Betroffenen den Weg an das Bundesgericht öffnet. In den Kantonen besteht eine große Vielfalt von Verfahren, doch sind sie in ihren Grundzügen meist vergleichbar mit dem Disziplinarverfahren auf Bundesebene.
Das Disziplinarverfahren gegen Soldaten
Im Disziplinarverfahren gegen Soldaten der Bundeswehr kann gegen die einfachen Disziplinarmaßnahmen Beschwerde nach Maßgabe der Wehrbeschwerdeordnung (WBO) erhoben werden, über die der Disziplinarvorgesetzte des verhängenden Vorgesetzten entscheidet (§ 38 Wehrdisziplinarordnung, WDO). Gegen Disziplinararrest ist nur Beschwerde an das Truppendienstgericht zulässig. Für die Entscheidung über schwere Disziplinarmaßnahmen sind die Truppendienstgerichte und das Bundesverwaltungsgericht (Wehrdienstsenate) als Wehrdienstgerichte zuständig (Disziplinargerichtsbarkeit). Das disziplinargerichtliche Verfahren wird durch eine Verfügung der Einleitungsbehörde (Bundesverteidigungsminister, Divisionskommandeur u. a.) eingeleitet. Vor Einleitung eines disziplinargerichtlichen Verfahrens gegen einen Soldaten ist die Vertrauensperson zur Person des Soldaten und zum Sachverhalt anzuhören. Die Einleitungsbehörde wird im Verfahren durch einen Wehrdisziplinaranwalt (§ 74 WBO) vertreten, der alle bedeutsamen Umstände des Falles zu ermitteln hat. Stellt die Einleitungsbehörde nach den Ermittlungen das Verfahren nicht ein, so legt der Wehrdisziplinaranwalt dem Truppendienstgericht eine Anschuldigungsschrift vor. Das gerichtliche Verfahren folgt den strafprozessualen Grundsätzen, es gilt insbesondere das Verbot der Reformatio in Peius (Verböserungsverbot). Gegen die verhängten Maßnahmen können Rechtsmittel (Beschwerde, Berufung) zum Bundesverwaltungsgericht ergriffen werden.
P. Czapski: Das nichtförml. D. (31996).
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Dis|zi|pli|nar|ver|fah|ren, das: Verfahren zur Aufklärung u. Ahndung von Disziplinarvergehen.
Universal-Lexikon. 2012.