Wechselstromgrößen,
elektromagnetische Größen, die mit Wechselströmen (v. a. sinusförmigen) zusammenhängen oder sich auf sie beziehen und zu ihrer Beschreibung sowie zur Beschreibung der durch sie hervorgerufenen Erscheinungen besonders geeignet sind. Wechselstromgrößen ergeben sich durch Verallgemeinerung entsprechender Gleichstromgrößen unter Berücksichtigung der zeitlichen (sinusförmigen) Periodizität von Strom und Spannung; das gilt insbesondere für den Wechselstromwiderstand (Impedanz). Physikalisch ergeben sich die Wechselstromgrößen aus der Näherung der maxwellschen Gleichungen für langsam veränderliche elektrische und magnetische Felder und aus deren Anwendung auf elektrische Schaltungen und Netze, einschließlich der zu diesen gehörenden elektrischen Maschinen und Bauelemente.
Mittelwert und Effektivwert:
Allgemein wird der zeitlich lineare Mittelwert eines sich als periodische Funktion der Zeit t ändernden Augenblickswerts (z. B. des Stroms i oder der Spannung u ) als Gleichwert oder Gleichantei der entsprechenden Größe bezeichnet, z. B. der Mittelwert
des Stroms als Gleichstrom (T Periodendauer). Ist dieser Gleichwertnull, soheißt die entsprechende Größe Wechselgröße (Wechselstrom, Wechselspannung); ist er ungleich null, so liegt eine Mischgröße vor, die aus einem mit einer Wechselgröße überlagerten Gleichwert besteht. Aus dem quadratischen Mittelwert einer zeitlich periodischen Größe wird deren Effektivwert gebildet; die entsprechenden Größen werden mit Großbuchstaben bezeichnet (z. B. ist U der Effektivwert der Spannung, die effektive Spannung).
Sinusgrößen:
Wechselstromgrößen im engeren Sinn sind Wechselgrößen mit zeitlich sinusförmigem Verlauf (Sinusgröße) sowie aus solchen abgeleitete weitere Größen. Da einerseits technischer Wechselstrom als Sinusgröße erzeugt wird und anderseits jede Wechselgröße durch harmonische Analyse als Summe (oder Integral) von Sinusgrößen (Teilschwingungen) dargestellt werden kann, sind diese theoretisch und praktisch von besonderer Bedeutung. Der Effektivwert einer aus Teilschwingungen (Grundschwingung und Oberschwingungen) zusammengesetzten Wechselgröße (z. B. eines Wechselstroms) ist I = (I21 + I22 + I23 +. ..)1/2, wobei die In die Effektivwerte der Teilschwingungen (-ströme) sind (mit n = 1, 2, 3,. .. und n = 1 für die Grundschwingung). Der Oberschwingungsgehalt (Klirrfaktor) einer solchen Größe (z. B. einer Spannung) ist ku = (1/U ) (U22 + U23 +. ..)1/2 = (1/U ) (U2 — U21)1/2; entsprechend ist der Grundschwingungsgehalt einer Spannung definiert als gu = U1/U. Der Scheitelwert einer Sinusgröße wird allgemein als Amplitude bezeichnet und durch ein Dach gekennzeichnet, sodass z. B. für eine Sinusspannung u = û cos (ωt + ϕu) gilt, wobei ω die Kreisfrequenz ist und ϕu der Nullphasenwinkel der Spannung. Bei sinusförmigem Verlauf gilt zwischen Amplitude und Effektivwert die Beziehung û = U
Da die elektrische Leistung das Produkt aus Spannung und Stromstärke ist, gilt für ihren Augenblickswert bei sinusförmigem Verlauf von Spannung und Strom:
dabei ist P = UI cos ϕ die Wirkleistung (mit ϕ = ϕu — ϕi als Phasenverschiebungswinkel der Spannung gegen den Strom) und S = UI die Scheinleistung (der Betrag der komplexen Größe). Nach dieser Gleichung schwingt die augenblickliche Leistung Pt mit der doppelten Frequenz von Strom und Spannung um die Wirkleistung als Durchschnittswert. Wird in der Gleichung für Pt mithilfe von ϕ entweder ϕu oder ϕi eliminiert, so ergeben sich folgende Beziehungen:
Dabei ist Q = UI sin ϕ = S sin ϕ die Blindleistung; ihr Betrag gehorcht der Beziehung |Q | = (S2 — P2)1/2. Der Quotient P/S = cos ϕ wird als Leistungs- oder Wirkfaktor bezeichnet, der Quotient Q/S = sin ϕ als Blindfaktor. Bei Spulen und Kondensatoren wird δ = π/2 — | ϕ | Verlustwinkel und d = tan δ = P/ | Q | Verlustfaktor genannt. Neben der Leistungseinheit Watt (SI-Einheit) ist bei der Angabe von elektrischen Scheinleistungen auch die Einheit Voltampere (Einheitenzeichen VA), bei der Angabe von elektrischen Blindleistungen auch die Einheit Var (Einheitenzeichen var) üblich.
Komplexe Wechselstromrechnung:
Häufig ist es zweckmäßig, Wechselstromgrößen als komplexwertige Größen aufzufassen (z. B. Widertand, Leitwert). Durch solch eine mathematische Transformation können die frequenzabghängigen elektrodynamischen Größen in Analogie zu den reellen Größen der Elektrostatik beschrieben werden. Die Phasenbeziehungen lassen sich dann sehr übersichtlich in Zeigerdiagrammen darstellen. Komplexe Größen werden meist mit einem Unterstrich (mitunter auch mit *) gekennzeichnet, die imaginäre Einheit i auch mit j bezeichnet. Grundsätzlich unterscheidet man bei der komplexen Rechnung zwei Vorgehensweisen: a) die rein formale Ergänzung einere reellen zu einer komplexen Größe, wobei nur der Realteil eine physikalische Bedeutung besitzt (z. B. Wechselspannung) und b) die Zusammenfassung zweier physikalischen Größen zu Real- und Imaginärteil einer komplexen Größe, wobei sowohl Real- als auch Imaginärteil physikalische Bedeutung tragen (z. B. Impedanz, Admittanz). Meist werden die Vorsilben »Schein-« (für komplexe Größe), »Wirk-« (für Realteil) und »Blind-« (für Imaginärteil) verwendet.
Universal-Lexikon. 2012.