Orinọco
der, Orinọko, Strom im nördlichen Südamerika, 2 140 km lang; sein Einzugsgebiet von 950 000 km2 ist das drittgrößte Stromgebiet Südamerikas, es entwässert 70 % des venezolanischen und 25 % des kolumbianischen Staatsgebietes. Der Orinoco entspringt im Süden des Berglands von Guayana in der Serra Parima an der venezolanisch-brasilianischen Grenze, umfließt in Venezuela das Bergland von Guayana, mündet mit 30 000 km2 großem Delta (südlich von Trinidad) in den Atlantik. Er bildet auf über 300 km die Grenze gegen Kolumbien; er hat 194 Nebenflüsse (99 von links). In 1 047 m über dem Meeresspiegel entspringend, verliert der Orinoco in den ersten 100 km seines Laufs in Flussschnellen und kleinen Wasserfällen 713 m an Höhe, in den nächsten 80 km weitere 140 m. Vor der Bifurkation des Río Casiquiare erreicht er 500 m Breite bei einer Wasserführung von rd. 2 000 m3/min. Durch die Bifurkation verliert der Orinoco 25 % seines Wassers an den Rio Negro, wächst dann u. a. durch Zuflüsse aus dem ostkolumbianischen Tiefland (v. a. Río Guaviare). Zwischen San Fernando de Atabapo und Puerto Ayacucho quert er eine von Granitkuppen und -hügeln überragte Ebene in einer Schnellenstrecke, die die Schiffbarkeit beendet. Nach Vereinigung mit dem Río Meta 5 km breit, wird der Orinoco erst jetzt zu einem von zahlreichen Inseln durchsetzten und von bewaldeten breiten Dammufern begleiteten Tieflandstrom. Er durchfließt das rd. 600 000 km2 große Orinoco-Tiefland in Ostkolumbien und Venezuela, eine tektonische Senke zwischen Anden und Bergland von Guayana. Die aus mächtigen mesozoischen, tertiären und quartären Sedimenten aufgebauten Ebenen (meist unter 200 m über dem Meeresspiegel) sind baumarm bis baumlos (Llanos); wirtschaftlich bedeutend sind die Erdölvorkommen im venezolanischen Orinoco-Tiefland, während die Ölsande im Osten des Orinoco-Beckens noch nicht genutzt werden (über 100 Mrd. t Schweröle, in 600-3 000 m Tiefe auf über 40 000 km2 verbreitet, schwefelreich). Weiter östlich wird der Orinoco an das Guayanamassiv herangedrängt und ist zum Teil bis in den kristallinen Untergrund eingeschnitten. Durch eine Enge bei Ciudad Bolívar, wo seit 1967 die einzige Brücke den Orinoco überquert, auf 500 m Breite zusammengedrängt, schwillt der Strom auf den letzten 350 km seines Laufes rasch von 4 auf 15 km Breite am Ansatz des Deltas an. Dieses wird von vier großen und zahlreichen kleinen Mündungsarmen durchquert. Das rd. 40 000 km2 große Delta wächst jährlich um rd. 45 m ins Meer hinaus. Die durchschnittliche Abflussmenge von 18 000 m3/s schwankt je nach Jahreszeit beträchtlich. Der Sedimenttransport beträgt jährlich rd. 45 Mio. t. Die Wirkung der Gezeiten reicht bis Ciudad Bolívar.
1498 entdeckte Kolumbus die Mündung des Orinoco; Diego de Ordaz befuhr ihn 1531 als Erster. 1724 entdeckte der Jesuitenpater Manuel Román die Bifurkation. 1800 führte A. von Humboldt als Erster wissenschaftliche Untersuchungen am Orinoco aus. 1951 wurde die Quelle lokalisiert. 1986 wurde die Wasserstraße Orinoco/Rio Apure bis nahe der kolumbianischen Grenze offiziell eröffnet und wird weiter ausgebaut, um das Bergbaugebiet im Südwesten von Venezuela mit Ciudad Guayana zu verbinden. Große Bedeutung hat die Verschiffung der am Cerro Bolívar und bei El Pao abgebauten Eisenerze von Puerto Ordaz und Palúa (Ortsteile von Ciudad Guayana, offiziell Santo Tomé de Guayana) aus.
V. Vareschi: Die Gabelteilung des O., in: Petermanns Geograph. Mitt., Bd. 107 (1963);
V. Vareschi: Geschichtslose Ufer. Auf den Spuren Humboldts am O. (21971).
Universal-Lexikon. 2012.