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Orchideen
Orchideen
 
[französisch, zu griechisch órchis »Hoden« (nach den hodenförmigen Wurzelknollen)], Singular Orchidee die, -, Orchidaceae, eine der artenreichsten und variabelsten Pflanzenfamilien, die zwischen 7 % und 10 % aller Blütenpflanzenarten stellt und nahezu alle Lebensräume (mit Ausnahme der Trocken- und Kältewüsten und der Ozeane) der Erde besiedelt. Besonders reich sind die Orchideen in den Tropen und Subtropen entwickelt. Sie gehören zu den Einkeimblättrigen und umfassen etwa 20 000 Arten in rd. 750 Gattungen. - Ausdauernde, oftmals mithilfe eines Mykorrhizapilzes lebende Kräuter von sehr variabler Gestalt, terrestrisch mit unterirdischen Wurzelstöcken oder (schleimreichen) Knollen oder (v. a. in den Tropen) epiphytisch lebend; in nahezu allen Gruppen finden sich Saprophyten; Blätter länglich, oftmals ledrig oder fleischig, Sprosse häufig verdickt (Ausbildung von »Pseudobulben«), Wurzeln fleischig, oft mit schwammiger, silberweißer Hülle (dem Velamen radicum), Blüten einzeln oder in traubigen, ährigen oder rispigen Blütenständen. Sehr charakteristisch für die Orchideen ist ihre Blüte, deren Hülle sechsblättrig ist. Neben der »Lippe« (Labellum), einem meist vergrößerten und besonders ausgestalteten, nach unten weisenden Blütenblatt, ist auch die Verwachsung von Narben, Griffel und Staubblättern (die Letzteren bei den meisten Gruppen nur in Einzahl vorhanden) zu einem einheitlichen Organ, der »Säule« (Gynostemium), ein definierendes Merkmal der gesamten Familie. Außerordentlich vielfältig und oftmals von kaum glaublicher Komplexität sind die blütenbiologischen Anpassungen zwischen den Orchideen einerseits und den sie bestäubenden Tieren (v. a. Insekten) andererseits. Der Fruchtknoten ist unterständig und enthält zahlreiche (manchmal bis zu mehreren Millionen) staubfeine, nährgewebslose Samen. Diese sind in der Regel nur im Zusammenleben mit einem Mykorrhizapilz entwicklungsfähig. In der gärtnerischen Kultur werden deshalb die Samen auf Nährböden ausgesät und unter sterilen Bedingungen in Flaschen bis zum Auspflanzen kultiviert. Charakteristisch für die Orchideen ist ferner die Kreuzbarkeit von Vertretern verschiedener Arten beziehungsweise sogar Gattungen miteinander. Dadurch konnte eine Vielzahl großblumiger und sehr wuchsfreudiger Formen für die Topfkultur und zur Erzeugung von Schnittblumen gezüchtet werden. Alle Orchideen sind national und international geschützt. Besonderen Schutz genießen alle heimischen Erdorchideen. - Bekannte Gattungen sind Cattleya, Dendrobium, Frauenschuh, Händelwurz, Hohlzunge, Knabenkraut, Korallenwurz, Nestwurz, Venusschuh, Ragwurz, Vanda, Vanille.
 
Krankheiten
 
und Schädlinge: Die Ausweitung der Orchideenkultur und die Zunahme von Importen hat zur Verbreitung von Schaderregern geführt. Symptome von Viruskrankheiten sind Verfärbungen an Blättern und Bulben, Deformationen, Minderung der Wüchsigkeit. Bei Weichfäulen handelt es sich um Bakterienbefall. Tier. Schädlinge sind u. a. Fadenwürmer, Spinnmilben, Blasenfüße, Blatt-, Schild-, Schmier- und Wollläuse. Bei chemischer Bekämpfung ist die Empfindlichkeit der Orchideen gegen Pflanzenschutzmittel zu beachten.
 
Kulturgeschichte:
 
Orchideenknollen waren im Altertum als Aphrodisiakum sehr verbreitet. Sie galten als Lieblingsspeise der Satyrn. Der Sage nach wurde Orchis, als er einer Priesterin des Dionysos Gewalt antun wollte, von wilden Tieren zerrissen und in eine Orchidee verwandelt. Die ersten Beschreibungen und Abbildungen tropischer Baumorchideen kamen Ende des 17. Jahrhunderts nach Europa. 1732 soll zum ersten Mal eine tropische Orchidee in England geblüht haben. 1813 wurden im Botanischen Garten von Kew bei London etwa 400 Arten kultiviert; seit 1830 Züchtungen in Hamburger und Dresdner Privatgärten.
 
Literatur:
 
R. Schlechter: Die O. Ihre Beschreibung, Kultur u. Züchtung, auf 4 Bde. ber. (31971 ff.);
 R. L. Dressler: Die O. Biologie u. Systematik der Orchidaceae (a. d. Engl., 1987);
 H. Bechtel u. a.: O.-Atlas. Lex. der Kultur-O. (31993);
 
O.-Kultur. Botan. Grundlagen, Kulturverfahren, Pflanzenbeschreibungen, hg. v. G. Fast (31995).

Universal-Lexikon. 2012.