Bezeichnung für die im 19. Jahrhundert beginnenden, im 20. Jahrhundert eigene Institutionen ausbildenden Bestrebungen innerhalb der christlichen Kirchen, die konfessionelle Trennung des Christentums zu überwinden. Die ökumenische Bewegung nahm ihren Anfang in den reformatorischen Kirchen, getragen von Laienbünden und -bewegungen. So entstand 1846 mit der Gründung der Evangelischen Allianz ein erster interkonfessioneller Zusammenschluss protestantischer Christen. Wegbereiter der ökumenischen Bewegung im heutigen Sinn wurden der »Christliche Verein junger Männer« (als Weltbund [YMCA] 1855 gegründet) und der »Christliche Studentenweltbund« (gegründet 1895); ihr weltweiter Durchbruch im 20. Jahrhundert war zunächst eng mit der Internationalen Missionsbewegung verbunden (1. Weltmissionskonferenz in Edinburgh, 1910; Gründung des »Internationalen Missionsrates«, 1921). In der Folge erhielt die ökumenische Bewegung wesentliche Impulse durch die auf N. Söderblom zurückgehende Bewegung für Praktisches Christentum (»Life and Work«; 1. Weltkonferenz in Stockholm, 1925) und die auf Initiative des amerikanischen anglikanischen Bischofs Charles Brent (* 1862, ✝ 1929) entstandene Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung (»Faith and Order«; 1. Weltkonferenz in Lausanne, 1927). Beide schlossen sich 1948 bei der Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) zusammen, in den 1961 auch der »Internationale Missionsrat« integriert wurde.
Die ökumenische Bewegung versteht sich v. a. als weltweite Arbeits- und Aktionsgemeinschaft von Christen und Kirchen und stellt heute ein kompliziertes Geflecht bilateraler und multilateraler Beziehungen auf allen Ebenen der Kirchen dar, in dem der ÖRK und ihm entsprechende regionale beziehungsweise nationale Christen- und Kirchenräte (z. B. der »Pazifische Kirchenrat« und der »Lateinamerikanische Rat der Kirchen«), die konfessionellen »Weltfamilien« mit ihren Dachorganisationen (z. B. dem Lutheren und dem Reformierten Weltbund und dem »Weltbund der Baptisten«) und transkonfessionelle Bewegungen (z. B. die charismatische Bewegung) die wichtigsten Knotenpunkte bilden. Die Bedeutung der ökumenischen Bewegung liegt zum einen darin, dass sie durch den theologischen Dialog zur Lösung der mit der Kirchentrennung verbundenen Probleme (z. B. theologische Kontroversfragen, konfessionsverschiedene Ehen, Unterschiedlichkeit der kirchlichen Strukturen) beiträgt, zum anderen hat sie sich als zwischenkirchliches Gesprächsforum bewährt, das meist schon frühzeitig wichtige Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung aufgegriffen hat (z. B. Probleme der Dritten Welt wie Rassismus und Armut sowie die sexistische Unterdrückung und Benachteiligung der Frauen). Im Rahmen der ökumenischen Bewegung hat auch der Dialog zwischen den Kirchen des Nordens und denen des Südens begonnen, und es wurden die Verbindungen über den Eisernen Vorhang hinweg aufrechterhalten und gepflegt.
Bis zur Gründung des ÖRK wurde die ökumenische Bewegung überwiegend von protestantischen und anglikanischen Kirchen getragen. Die ersten positiven Stellungnahmen orthodoxer Kirchen zur ökumenischen Bewegung gaben 1919 die griechisch-orthodoxe Kirche und 1920 das Ökumenische Patriarchat ab. Nach den zehn Ostkirchen, die 1948 Gründungsmitglieder des ÖRK waren, traten ab 1950 alle orthodoxen und orientalischen Kirchen dem ÖRK bei, zuletzt 1992 die orthodoxe Kirche von Albanien. Die katholische Kirche stand der ökumenischen Bewegung - ungeachtet einzelner katholisch-ökumenischen Initiativen wie der Una-Sancta-Bewegung - bis in die 50er-Jahre offiziell ablehnend gegenüber, öffnete sich ihr jedoch mit dem 2. Vatikanischen Konzil (Ökumenismus) und begreift sich heute selbst als ihr Teil. (Christentum, Kirche)
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
ökumenische Bewegung: Zueinander und miteinander
Universal-Lexikon. 2012.