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Musikästhetik
Musik|ästhetik,
 
Disziplin der systematischen Musikwissenschaft; als Teil der allgemeinen Ästhetik die Wissenschaft vom Wesen der Musik als Kunst beziehungsweise schöne Kunst sowie vom Zugang zu ihr im hörenden Erleben. Man unterscheidet Formalästhetik, die das Wesentliche der Musik in deren eigene Elemente und Strukturen verlegt, und Inhalts- oder Ausdrucksästhetik, für die alles Musikalische eine Bedeutung, einen Ausdruck oder Gehalt besitzt, der zu deuten und in übergeordnete Zusammenhänge zu bringen ist. Obwohl alle Arten der Musik betreffend, ist die Geschichte der Musikästhetik weitgehend mit der der Kunstmusik verbunden.
 
Nach wichtigen musikphilosophischen Ansätzen der griechischen Antike (Musik als Zahlengesetzlichkeit, Musik als kosmisch-harmonisches Ordnungsprinzip), die über das Mittelalter hinaus bis in die Renaissance- und Barockzeit (Affektenlehre) nachwirkten und der Musik als Bestandteil der Artes liberales einen hohen Stellenwert einräumten, geriet die Musikästhetik mit Entstehen der allgemeinen Ästhetik im 18. Jahrhundert zeitweise in Schwierigkeiten, sich als eigenständige wissenschaftliche Disziplin zu behaupten, teils, weil sie als Anhang philosophischer Theorie die Musik nur als Gegenstand genießender Aufnahme betrachtet (I. Kant), teils, weil die Musik im Rahmen eines umfassenden ästhetischen Systems anderen Kunstformen (u. a. der Poesie) untergeordnet wird (G. W. F. Hegel, F. W. J. Schelling), oder, wie in der marxistischen Ästhetik, der Musik nur eine »mittelbare Widerspiegelung der Wirklichkeit« zuerkannt wird (G. Lukács). Dagegen steht seit der Romantik eine Reihe von musikphilosophischen Ansätzen, deren Erkenntnisinteresse weniger darin besteht, ästhetische Werturteile auf musikalische Sachverhalte zu beziehen, sondern vielmehr »aus dem Geist der Musik« eine Philosophie zu entwerfen, die sich als »Alternative« zu den überkommenen Kategorien (z. B. von Sprache, Mathematik) anbietet (A. Schopenhauer, F. Nietzsche, E. Bloch, H. Plessner). In den Schriften T. W. Adornos werden an Werken z. B. R. Wagners, G. Mahlers und A. Schönbergs formal wie inhaltsästhetisch innermusikalische Widersprüche aufgezeigt, die als Ausdruck einer antagonistischen Gesellschaft gedeutet werden.
 
Literatur:
 
D. Zoltai: Ethos u. Affekt. Gesch. der philosoph. M. von den Anfängen bis zu Hegel (a. d. Ungar., Berlin-Ost 1970);
 
Neue Aspekte der musikal. Ästhetik, hg. v. H. W. Henze, 2 Bde. (1979-81);
 
Musik - zur Sprache gebracht. Musikästhet. Texte aus drei Jh., hg. v. C. Dahlhaus u. a. (1984);
 
Nicht versöhnt. M. nach Adorno, hg. v. H.-K. Jungheinrich (1987);
 C. Dahlhaus: Klass. u. romant. M. (1988);
 F. Beinroth: M. von der Sphärenharmonie bis zur musikal. Hermeneutik (21996);
 E. Fubini: Gesch. der M. von der Antike bis zur Gegenwart (a. d. Ital., 1997).

Universal-Lexikon. 2012.