Music-Hall
[englisch, 'mjuːzɪkhɔːl], britische Form des Varietés; der Begriff kam 1832 auf, als in Bolton (Lancashire) die Star Music-Hall als erster selbstständiger Theaterbau für das Varieté in England eröffnet wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Varieté jedoch auf den Kneipenbühnen, in den Pubs (Bierlokalen), den Song and Supper Rooms der Wirtshäuser, den Tavern Concert Rooms oder den Tea Gardens (Sommerbühnen im Freien) schon eine fast einhundertjährige Geschichte hinter sich, in der es als volkstümliche und urwüchsige Form der Bühnenunterhaltung in der Tradition der Schausteller und Jahrmarktspiele seine Ausprägung erhielt. Von hier aus bezog die britische Music-Hall eine Ästhetik der Komik, die für sie kennzeichnend blieb: einerseits die Komik des Abstrusen und Skurrilen mit der Ausstellung körperlicher Missbildungen (Krüppel, Riesen, Zwerge), was in den Siebzigerjahren in den Transvestiten-Shows eine Fortsetzung fand; andererseits die lärmende Groteske mit Schimpf- und Prügelszenen, handfester Obszönität und derber Gesangskomik. Hatte dies lange Zeit nur die Funktion, den gastronomischen Betrieb durch eine willkommene Nebenbeiunterhaltung beim Zechen florieren zu lassen, so wurde mit der Errichtung von Music-Halls diese volkstümliche Unterhaltungspraxis institutionalisiert und damit in eine Investitionsmöglichkeit verwandelt. Die Geschichte der britischen Music-Hall ist dann auch nichts anderes als die Geschichte der Kapitalisierung des Unterhaltungsbetriebs in England. Die Gründung der ersten Music-Hall zog eine schnell wachsende Zahl derartiger Unterhaltungs- bzw. Varieté-Bühnen in allen größeren Städten nach sich. Zum ersten Großunternehmer mit gleich mehreren Halls wurde schon Mitte des 19. Jahrhunderts der Geschäftsmann Charles Morton (1819-1894), der sich selbst als »Father of the Halls« feiern ließ. Ihm folgten Edward Moss (1852-1912) und Oswald Stoll (1867-1942), die bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges aus den britischen Music-Halls ein hochkommerzielles Unterhaltungsimperium machten, das in den Zwanzigerjahren Weltgeltung erhielt, mit der Einführung des Tonfilms Ende der Zwanzigerjahre dann schließlich dem Kino als neuer Form der Massenunterhaltung weichen musste, ohne jedoch im Showgeschäft völlig an Bedeutung zu verlieren. An den Grundstrukturen des Programms änderte sich in diesem Prozess nicht allzu viel, nur dass der sozialkritisch-satirische Zug, der den Kneipenvarietés einmal seine Attraktivität verliehen hatte, verschwand und die Music-Halls sich in Ausstattung und örtlicher Lage den verschiedenen sozialen Schichten immer differenzierter anpassten. Der Beitrag, den die britischen Music-Halls und ihre Ableger in den USA zur Geschichte der populären Musik leisteten, besteht in der hier von Sängern unter Maske vorgetragenen, ursprünglich auf die Straßenballade zurückgehenden Form des Songs, der in den Music-Halls treffend auch als Comic and Character Song bezeichnet wurde. Er rückte Ende des 19. Jahrhunderts eine Zeit lang ins Zentrum der Musikentwicklung (Tin Pan Alley).
II
Music-Hall
['mjuːzɪk hɔːl] die, -/-s, britische Form des Varietees; der Begriff entstand 1832 durch die Gründung der »Star Music Hall« in Bolton als dem ersten selbstständigen Theaterbau für das Varietee. Basierend auf der Wirtshausunterhaltung bildete sich die Music-Hall als volkstümliche Unterhaltung in der Tradition der Schausteller und Jahrmarktsspiele mit Betonung des Komischen und Grotesken. Das Programm bestand aus einer losen Folge von Songs, Sketchen und akrobatischen Nummern. Die sozialkritisch-satirische Grundtendenz wurde durch die Institutionalisierung der Programme als Massenunterhaltung abgeschwächt. Das Aufkommen neuer Formen der Unterhaltung (u. a. Tonfilm, Kino) führte, nach einer Blütezeit in den 1920er-Jahren, zu einem Bedeutungsverlust der Music-Hall.
U. Schneider: Die Londoner Music Hall u. ihre Songs 1850-1920 (1984).
Universal-Lexikon. 2012.