Meinecke,
Friedrich, Historiker, * Salzwedel 30. 10. 1862, ✝ Berlin 6. 2. 1954; Schüler J. G. Droysens, H. von Sybels und H. von Treitschkes; wurde 1901 Professor in Straßburg, 1906 in Freiburg im Breisgau und 1914 (bis 1928) in Berlin. 1948 wurde er der erste Rektor der unter seiner Mitwirkung gegründeten Freien Universität Berlin. Der Ausgangspunkt seiner Forschungen war das Zeitalter der deutschen Erhebung gegen Napoleon I. Mit seinem Werk »Weltbürgertum und Nationalstaat. Studien zur Genesis des deutschen Nationalstaates« (1908) begründete er die politische Ideengeschichte. Ihm ging es weniger um den Ablauf des Geschehens als vielmehr um die Erhellung der in der Geschichte wirkenden Ideen; v. a. bestimmte ihn die Spannung zwischen Staat und Ethos. Im Historismus als der vorwiegend auf das Historische ausgerichteten Betrachtungsweise in allen Geisteswissenschaften sah er den wichtigsten deutschen Beitrag zum abendländischen Denken seit der Reformation. Im Ersten Weltkrieg wurde Meinecke zu einem Gegner der Annexionspolitik und rechnete sich seitdem der bürgerlichen Linken zu. Den Nationalsozialismus lehnte er bedingungslos ab und warnte bis 1933 öffentlich vor ihm. Mit seinem Buch »Die deutsche Katastrophe« (1946) versuchte er, die Frage nach historischer Sinngebung nach 1945 zu beantworten. - 1896-1935 war er Herausgeber der »Historischen Zeitschrift«, 1928-34 Vorsitzender der Historischen Reichskommission.
Durch sein wissenschaftliches Werk wie durch seinen Schülerkreis prägte Meinecke wie kein zweiter Historiker im 20. Jahrhundert die Entwicklung der deutschen Geschichtsschreibung vom Kaiserreich bis zur staatlichen Neuordnung nach 1945. - Das Historische Seminar der Freien Universität Berlin erhielt 1951 den Namen F.-Meinecke-Institut.
Weitere Werke: Das Zeitalter der deutschen Erhebung (1906); Die Idee der Staatsraison in der neueren Geschichte (1924); Die Entstehung des Historismus, 2 Bände (1936).
H.-U. Wehler:F. M.s Stellung in der dt. Geschichtswiss., in: Histor. Ztschr., Bd. 230, H. 1 (1980);
S. Meineke: F. M. Persönlichkeit u. polit. Denken bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1995).
Universal-Lexikon. 2012.