Liudolfinger
Das frühere Mittelalter kannte keine Familiennamen. Um die familienmäßige Zusammengehörigkeit von Personen erkennbar zu machen, hat die neuzeitliche Geschichtsschreibung aus familientypischen »Leitnamen« Geschlechternamen konstruiert. Der Sachsenkönig Heinrich, der im Jahre 919 ostfränkisch-deutscher König wurde, war der erste der »Ottonen« auf dem Königsthron. Der Geschlechtername ist von Heinrichs Sohn und Nachfolger Otto I. (936-973) und von dessen gleichnamigem Sohn Otto II. (973-983) und Enkel Otto III. (983-1002) abgeleitet. Bei Ottos III. kinderlosem Tode folgte mit Heinrich II. sein nächster männlicher Verwandter als König. Mit ihm erlosch das sächsische Königsgeschlecht der Ottonen im Jahre 1024.
Der bedeutendste Ottonenherrscher war Otto I., »der Große«. Er begründete die Tradition der Verbindung von ostfränkisch-deutscher Königswürde und Kaisertum. Otto I. knüpfte bei diesem folgenschweren Schritt an das Vorbild Karls des Großen an. Obwohl das Kaisertum seit Karl dem Großen seine universale Bedeutung eingebüßt hatte, war es Bestandteil der nach wie vor als verpflichtend angesehenen karolingischen Tradition. Otto I. machte das Anknüpfen an die karolingische Tradition gleich bei seinem Regierungsantritt sichtbar: Indem er Aachen als Krönungsort wählte und am Ende der Krönungszeremonie auf dem steinernen Thron Karls des Großen Platz nahm, zeigte er, dass er sich unmittelbar in der Nachfolge Karls des Großen sah. Dazu gehörte auch die Eroberung des langobardisch-italischen Reiches, die Otto im Jahre 951 mit der Königskrönung in Pavia abschloss. Sein großer Ungarnsieg in der Schlacht auf dem Lechfeld erwies Otto I. als fähigen Verteidiger der lateinischen Christenheit. So war die Kaiserkrönung, die Papst Johannes XII. am 2. Februar 962 in Rom vollzog, in Ottos herrscherlichem Selbstverständnis und in seiner Politik lange vorbereitet. Seither gehören Italienpolitik, Romzug und Kaiserkrönung zum »Regierungsprogramm« der mittelalterlichen deutschen Könige. Wie Karl der Große sah auch Otto der Große die Heidenmission als Aufgabe des christlichen Kaisers an. Nach vielen Mühen und Rückschlägen erreichte er 968 die Gründung eines Erzbistums in Magdeburg, das als Missionserzbistum in die slawischen Gebiete hineinwirken sollte.
Ottos des Großen Sohn Otto II. führte im Wesentlichen die von seinem Vater vorgezeichnete Linie der Politik weiter. Otto III. aber wollte anderes und mehr: Erfüllt von einer schwärmerischen Begeisterung für die römische Antike, wollte er die Stadt Rom wieder zum Zentrum der Welt machen, Rom als Sitz von Papst und Kaiser, als Mittelpunkt von Christentum und Weltherrschaft, zu unvergleichlicher Größe führen. Damit ist Otto III. gescheitert. Sein Nachfolger Heinrich II. verlegte den Schwerpunkt seiner Herrschaft wieder in den ostfränkisch-deutschen Bereich nördlich der Alpen, kehrte in die Bahnen Ottos I. zurück.
II
Liudolfinger,
Ludolfinger, Ottonen, altsächsisches Adelsgeschlecht, das mit Graf Liudolf (✝ 866) eine führende Stellung im Osten Sachsens, mit dessen Söhnen Brun (✝ 880) und Otto (✝ 912) die sächsische Herzogswürde erlangte. Ottos Sohn wurde 919 König im deutschen Regnum, dem werdenden Heiligen Römischen Reich (Heinrich I.), dessen Sohn, Otto I., 962 Kaiser. Über Otto II., Otto III. und Heinrich II., mit dem sie ausstarben, regierten die Liudolfinger bis 1024 (auch »sächsischer Kaiser« genannt); ihre Nachfolger wurden die Salier.
H. Beumann: Die Ottonen (31994);
Hans K. Schulze: Hegemoniales Kaisertum. Ottonen u. Salier (Neuausg. 1994).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Ottonen: Kaisertum zwischen Aachen und Rom
Universal-Lexikon. 2012.